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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Bewerber waren nicht mitgelaufen. Doch da stand noch jemand vor mir: Heinrich Raspe. Mein Herz setzte für einen Moment aus. Wie gut er aussah, in seinem Hemd, das über der Brust offenstand, den Sommerwind im Haar. Ein selbstsicheres Lächeln umspielte seine Lippen. Ich versuchte, Fassung zu bewahren.
    »Ei, Herr Heinrich«, sagte ich atemlos, »Ihr habt doch gar nicht mitgespielt!«
    Er nahm meine Hand. »Ich fange gerade damit an«, erwiderte er und zwinkerte mir zu. Ganz langsam beugte er sich zu mir herunter, näherte sein Gesicht dem meinen. Was sollte ich tun? Ich fieberte danach, ihn zu küssen. Aber dann dachte ich an den Ring und bekam ein mulmiges Gefühl. Was hatte dieser unheimliche Reif zu bedeuten, warum trug er ihn? Und außerdem – so leicht sollte Heinrich Raspe es nicht haben, dachte ich. So einfach war ich nicht zu gewinnen. Wenn, dann wollte ich mehr als ein Spiel. Als seine Lippen fast schon meine berührten, als ich schon seinen Atem spürte, da steckte ich ihm statt des Kusses flugs die letzte Brombeere in den Mund, die ich noch in der Hand gehabt hatte. Dann riss ich mich los und lief über die Wiese zu den anderen zurück.
    Er stand da und sah mir nach mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte.
    Hoffentlich hatte ich nicht alles verdorben!
     
    Später, auf der Rückfahrt, die gemächlich vor sich ging, weil getreidelt werden musste, bemerkte ich, dass Heinrich Raspe die Augen kaum mehr von mir abwandte. Ich hielt mich ein wenig abseits und versuchte, aus der Ferne einen Blick auf seine Hand zu erhaschen. Schließlich gelang es mir, als er nach einem Becher Wein griff, den ihm sein Diener reichte. Ich atmete erleichtert auf. Der Ring war fort.

Creuzburg, März 1222
    » E i nun, das erste Kind«, versuchte die von Eckardsberga zu beruhigen, »das will nie kommen.« Mit einem feuchten Tuch betupfte sie Elisabeths Stirn. »Geduld, Liebden, nur Geduld.«
    Sämtliche ältere Damen des Hofes, die schon genugsam Erfahrung mit Geburten und Schwangerschaften hatten, standen seit Stunden am Bett der jungen Landgräfin. In der Bohlenstube, die man für die Niederkunft hergerichtet hatte, herrschte glühende Hitze. Auf Befehl des Landgrafen war eigens ein Kachelofen eingebaut worden, den die Mägde unablässig mit Buchenholzscheiten schürten. Das Kind durfte bei der Geburt schließlich keinen Kälteschreck bekommen und die junge Mutter sich beim Gebären nicht verkühlen. Elisabeth stöhnte auf und krümmte sich. Ihr Gesicht war kreidebleich, das schwarze Haar klatschnass vom Schweiß. In den Händen hielt sie ein kleines geschnitztes Holzkreuz, das ihr die Schwiegermutter aus Eisenach geschickt hatte. Sie habe es bei Ludwigs Geburt um den Hals getragen, hatte sie geschrieben und Elisabeth eine leichte Niederkunft gewünscht. Vergebens. Die Wehen zogen sich nun schon einen halben Tag hin, ohne dass etwas voranging.
    Die alte Fahnerin schüttelte besorgt den Kopf. »Schau sie dir an, Gerberga«, flüsterte sie der Creuzburger Wehfrau zu, einer erfahrenen, dicklichen Matrone. »Das arme Ding ist ja selber noch ein Kind. Hoffentlich geht alles gut.«
    »Sie hat Angst«, raunte die Hebamme zurück. »Und das ist schlecht. Angst verdirbt die Säfte und lässt die weibliche Pforte sich nicht öffnen. Die Leibesfrucht ist ja längst schon ganz nach unten gerutscht.«
    Wieder ein lautes Stöhnen. Elisabeths Finger pressten das Kruzifix so fest, dass ein Stückchen Holz aus der Dornenkrone Christi absplitterte und ihr ins Fleisch fuhr. Sie merkte es gar nicht. Warum nur dauerte es so lange? Seit dem Morgen hatte sie unaufhörlich gebetet, aber ihr Flehen war nicht erhört worden. Die Wehen waren kaum mehr auszuhalten! Keiner hatte ihr jemals gesagt, wie groß diese Schmerzen sein würden, wie schwer zu ertragen! Aber das Schlimmste war, dass Ludwig ihr nicht beistehen, ja, nicht einmal in ihrer Nähe sein konnte. Er war in dringenden Geschäften nach Hessen gerufen worden und hielt gerade Gericht in Marburg, viele hundert Meilen von ihr entfernt. Oh, da zog es auch schon wieder im Rücken, eine neue Wehe wollte kommen, kaum fünf Vaterunser nach der vorherigen. Sie hatte doch jetzt schon keine Kraft mehr. Ihr Kind, was war mit ihrem Kind? Ging es ihm noch gut? Der Arzt hatte gesagt, es sei überfällig. Was, wenn es bei der Geburt starb? Totgeburten kamen vor, das wusste sie nur zu gut. Und auch, dass Frauen die Niederkunft nicht überlebten, verbluteten, am Fieber starben. All das gehörte dazu,

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