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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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kannte das Mädchen, eine der Hofdamen der Landgräfin. Sie hatte sich heimlich hereingeschlichen, denn als unverheiratete Jungfer hatte sie am Bett einer Gebärenden eigentlich nichts zu suchen. Jetzt beugte sie sich zu Isentrud hinunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Die Augen der Hörselgauerin weiteten sich ungläubig. Sie stand auf, schob die Zofe aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    »Bist du völlig verrückt geworden?«, fragte sie mit zusammengekniffenen Augen. »Ich glaube, du weißt gar nicht, wie ernst es um sie steht!«
    Gislind schüttelte verzweifelt den Kopf. Natürlich wusste sie, dass es um Leben und Tod ging. Deshalb war sie ja in ihrer ganzen Hilflosigkeit zur Hühner-Els gelaufen und hatte sie um Rat gefragt. »Ich bin nicht verrückt«, verteidigte sie sich. »Die armen Leute machen das, und die Bauern. Irgendwas ist da drin, was der Geburt voranhilft. So glaubt mir doch.«
    Isentrud schnaufte. »Ich weiß nicht. Das ist doch …«
    »Versucht es doch einfach. Bitte!«
    Die Hörselgauerin wischte sich müde über die Stirn. Drinnen lag die junge Landgräfin, und das Kind drohte im Mutterleib abzusterben. Keiner wusste mehr, was zu tun war. Vielleicht war es den Versuch wert. Aber … »Das lassen die anderen nie zu!«
    »Dann sagt es ihnen nicht!« Gislind packte Isentrud bei den Schultern. »Sagt einfach, es wäre ein weiterer Kräuteraufguss!«
    Isentrud atmete tief durch. »Also gut. Geh und hol das Zeug, von wem du’s auch immer kriegst, ich will’s gar nicht wissen.«
     
    Eine halbe Stunde später schluckte Elisabeth aus einem einfachen hölzernen Becher eine fingerhutgroße Menge männlichen Samens. Kurz darauf kam die erste Presswehe. Und nach fast zwei Tagen Geburtsnöten erblickte endlich, endlich Ludwigs langersehntes Kind das Licht der Welt, übertragen, schwach, aber gesund.
    Es war ein Sohn.

Primus
    W as soll man da sagen? Jetzt ist das Hannolein grad aus dem Gröbsten raus, da haben wir schon wieder Nachwuchs. Es ist ein Schwesterchen, und wir haben es Irmingard genannt. Das klingt ziemlich großkotzig, aber der Pfarrer hat’s vorgeschlagen. Eigentlich hätten wir die Irmel gar nicht taufen lassen können, weil wir’s uns gar nicht leisten können, aber der Lutprant hat das Altargeld bezahlt. Hat er ruhig machen dürfen, weil es ist ja schließlich sein Kind. Obwohl er’s nicht zugibt. Die Mutter hat geflennt und geschworen, dass er der Einzige war, aber er hat gesagt, wer’s glaubt, wird selig. Na ja, und jetzt haben wir halt ein uneheliches Bankert, und manche Leute schauen uns scheel an deswegen. Soll bloß einer was sagen! Dem hauen wir die Hucke voll, der Michel und ich.
     
    Im letzten Jahr ist es uns eigentlich ganz gutgegangen, trotz des finsteren Kellerlochs. Unser Hund Ratz trägt schön zum Leben bei, weil wir ihn vermieten können. Für ein bisschen Geld, ein Stück Speck oder ein paar Äpfel lassen wir ihn zu anderen Leuten ins Haus, und da erledigt er dann die Ratten. Das bringt ganz gut was ein und ist jedes Mal ein Hauptspaß!
    Das Hannolein kann immer noch nicht gut laufen, wegen seiner krummen Beine. Der Pfarrer sagt, das liegt an der schlechten Milch, die er immer gekriegt hat, und am vielen Hunger, und wir sollen der Heiligen Maria Magdalena eine Kerze opfern. Die ist nämlich die Schutzpatronin für alle Kinder, die schlecht laufen lernen. Ich hab dann eine geklaut und in der Kirche aufgestellt, aber genützt hat es nichts. Auf die heiligen Weiber ist halt auch kein Verlass. Das hab ich dem Pfarrer gesagt, und dann hat er mir eine geklebt. Bin ich vielleicht schuld, wenn seine Leute im Himmel sich nicht einspannen lassen wollen? Bei der Taufe von der Irmel hat er mich dann streng angeschaut und gesagt, die Gunst der Heiligen Maria Magdalena lässt sich nicht mit gestohlenen Gaben erlangen, es müssten schon ehrlich erworbene Sachen sein. Möchte wissen, wie er drauf gekommen ist, dass ich die Kerze beim Hellgrevenwirt hab mitgehen lassen!
     
    Kurz nach Ostern ist der Landgraf wieder nach Eisenach gekommen, und alle Leute haben ihn mit Hochrufen und großem Trara empfangen. Wir wussten ja schon, dass ihm die Dunkle einen Sohn geboren hat, die Pfarrer haben alle die Glocken läuten lassen und die gute Nachricht von der Kanzel herab verkündet. Hermann heißt er, wie der alte Landgraf, der verrückt geworden ist. Ein Erbe ist für das ganze Land eine große Freude, haben die Pfarrer gesagt, weil jetzt weiß man, wer dereinst die

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