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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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je unritterlich verhalten?«
    »Ei, das letzte Mal, als Ihr mir nahe kamt, wolltet Ihr mir einen Kuss rauben«, versetzte ich schnippisch.
    »Und Ihr habt mir statt Eurer Lippen eine saure Brombeere kredenzt«, lachte er. »Damit sind wir quitt, denke ich.«
    Ich gab mich geschlagen und ließ mir von ihm ein Stückchen rosa gebratene Fasanenbrust vorlegen. »Zart und köstlich«, meinte er und berührte mit dem Zeigefinger wie unabsichtlich meinen Ellbogen. Es ging mir durch und durch. Ich sah, dass der Ring an seiner Hand immer noch fehlte, und ein kleines Glücksgefühl durchflutete mich.
    Den ganzen Abend unterhielt er sich nur mit mir. Er schenkte mir mit eigener Hand nach, reichte mir Bissen zu, fütterte sogar Fitz, der unterm Tisch saß und unaufhörlich bettelte. Und er machte mir Komplimente, in einem fort. Ich konnte es kaum glauben – er umwarb mich nach allen Regeln der ritterlichen Kunst!
    Als der Truchsess schließlich mit seinem Stab aufklopfte und damit das Mahl beendete, bestand Heinrich darauf, mich noch bis zur Frauenkemenate zu begleiten. Ich dachte an Isentruds Worte und wehrte ab, doch er blieb hartnäckig. »Ich muss doch auf dich aufpassen«, lächelte er; unvermutet war er zum vertrauten Du unserer Kinderzeit gewechselt. »Elfen werden nachts gern von Faunen und Dämonen entführt.«
    Gemeinsam schlenderten wir im Licht der Wandfackeln durch die Gänge. Ich achtete darauf, ihm nicht zu nahe zu kommen, obwohl es mich mit allen Fasern zu ihm hinzog. An der Treppe, die zum Frauenzimmer führte, blieben wir stehen. Ich wagte nicht, ihm in die Augen zu sehen, sonst hätte ich mich verraten. »Gute Nacht, Heinrich«, sagte ich verlegen.
    »Hab Dank für diesen wunderschönen Abend«, antwortete er. Dann spürte ich seine Hände an meinen Hüften, er versuchte, mich an sich zu ziehen, und wollte mich küssen. Mit letzter Kraft entwand ich mich ihm. »Nicht«, flüsterte ich. Da nahm er meine Hand und drückte mit einer kleinen Verbeugung seine Lippen auf die Innenseite meines Handgelenks. Dann drehte er sich um und ging.
    Wie im Traum stieg ich die Stufen in meine Schlafkammer hoch. Die Stelle, an der sein Mund meine Haut berührt hatte, brannte wie Feuer.
     
    Ich hatte nicht viel Zeit, über mich und Heinrich Raspe nachzudenken, denn gleich am nächsten Morgen erreichte uns eine Botschaft aus Sizilien. Ich erfuhr es von Elisabeth selber. »Kaiser Friedrich hat ein Schreiben geschickt«, erzählte sie ganz aufgeregt. »Er bittet Ludwig um die Teilnahme am Kreuzzug. Und, stellt euch vor, er bietet ihm dafür viertausend Mark Silber!«
    Das war natürlich eine willkommene Nachricht, was das Geld betraf, aber ich wunderte mich dennoch über Elisabeths Frohsinn. »Du freust dich?«, fragte ich sie. »Aber das bedeutet doch, dass Ludwig Monate, vielleicht Jahre fort ist?«
    Verblüfft sahen wir zu, wie sie anfing, durchs Zimmer zu tanzen, die Arme ausgebreitet, einen verzückten Ausdruck im Gesicht. »Ach«, rief sie, »es ist herrlich! Wir haben beschlossen, gemeinsam zu gehen!«
    »Gemeinsam?« Guda machte große Augen. Das hieße ja … Mit einem Mal begriff ich, was das bedeutete. Nicht nur, dass Heinrich Raspe während der Abwesenheit des Landgrafenpaars sich endlich beweisen und das Land regieren konnte. Sondern auch das: Wir Zofen würden mitkommen müssen, denn Elisabeth konnte schließlich nicht alleine durch die Welt reisen. Mein Herz machte einen Sprung! Ja, ich wollte ferne Länder sehen, den Orient, Jerusalem! Ich wollte hinaus aus Thüringen!
    »Auf allen Kreuzzügen waren Frauen dabei«, erklärte ich Guda. »Schon immer. Denk nur an die berühmte Eleonore von Aquitanien! Und die vielen anderen Königinnen und adeligen Damen aus Frankreich und Flandern! Und deren Mägde und Dienerinnen. Na, und jeder Kreuzritter darf eine eigene Wäscherin mitnehmen, denn es ist eines Ritters unwürdig, seine Kleider selber zu reinigen. Das sagt der Papst.«
    »Wäscherin?«, fiel mir Isentrud grinsend ins Wort und stieß mich mit dem Ellbogen an. »Du meinst wohl Buhlschaft!«
    »Pfui, Isentrud«, tadelte Elisabeth lächelnd. »Ein Kreuzzug ist eine heilige Sache. Ludwig und ich wollen gemeinsam das Grab Christi sehen.« Sie wurde ernst. »Ludwig muss als Herrscher oft Sünden auf sich laden. Er muss Krieg führen und Menschen hinrichten lassen. Ein Kreuzzug würde für ihn den Ablass von all diesen Sünden bedeuten. Und von …« Sie biss sich auf die Lippen.
    Ich wusste, was sie hatte sagen wollen.

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