Die Tore des Himmels
und so kam es auch.
Denn Konrad von Marburg eilte auf Ludwigs Schreiben hin zurück nach Thüringen.
Er erreichte uns Ende November. Es war an einem trüben, grauen Tag, seit einer Woche hatte es unaufhörlich geregnet, als Konrad mit seinem Gehilfen völlig durchnässt durch das Tor ritt.
Elisabeth war glücklich, ihren Beichtvater wiederzusehen. Ich nicht. Wie schon beim letzten Mal hatte ich das Gefühl, von ihm ginge etwas Böses aus, eine Kälte und Härte, die mir Angst machten. Und als ich seinen Gehilfen Johannes sah, erschrak ich nur noch mehr: Man hatte ihm bei einem Überfall ein Auge ausgestochen; er zeigte die leere, rotvernarbte Höhle offen, trug keine Augenklappe. Es sah schrecklich aus. Und ihm fehlte die linke Hand. Jeder weiß, dass das Unglück bringt.
Ludwig bestellte den Prediger gleich am ersten Tag zu sich, um mit ihm wegen des Speisegebots zu reden. Ich war froh, denn Elisabeth war inzwischen richtig dürr geworden, genauso wie Guda. Lediglich Isentrud hatte kaum an Gewicht verloren, aber das lag, wie ich ganz gut wusste, daran, dass sie bei jeder Gelegenheit heimlich aß. Nun, jedenfalls erwarteten wir alle, dass Konrad seine Regel zumindest lockerte, damit die Landgräfin nicht an ihrer Gesundheit Schaden nahm.
Wir hatten nicht mit Konrads Überzeugungsgabe gerechnet. Er blieb bis zum Abend bei Ludwig, und als die beiden schließlich wieder aus der Landgrafenstube auftauchten, sagte Ludwig zu seiner Frau: »Dein Beichtvater, mein Lieb, ist fürwahr ein weiser und ehrenwerter Mensch. Wenn ich nicht den Widerspruch des Adels und der hohen Familien fürchtete, würde auch ich seinen Geboten gerne folgen. Leider kann ich das nicht, aber du hast die Freiheit, für uns beide zu gehorchen. Tu also, was er dich heißt. Auf ihm liegt die Hand des Herrn.«
Elisabeth umarmte ihn lange und innig. Alles würde also weitergehen wie bisher. Konrad hatte es geschafft, auch Ludwig einzuschüchtern. Später erzählte er mir, der Prediger habe ihm die Hölle in den furchtbarsten Farben geschildert und ihm so sehr zugesetzt, dass er ihm an diesem Tag, hätte er es als Tribut verlangt, ganz Thüringen geschenkt hätte, und Hessen dazu.
Und dann kam der Tag, an dem Jutta von Meißen ihrem Halbbruder auf der Neuenburg einen Besuch abstattete. Sie hatten vorher lange über Erbangelegenheiten gestritten, sogar zu Kampfhandlungen war es gekommen. Ludwig freute sich über die Maßen, dass Jutta seine Einladung angenommen hatte, und hoffte darauf, den Streit endlich beilegen zu können. Er befahl, einen großen Empfang vorzubereiten. Unglücklicherweise hatte Konrad von Marburg für denselben Tag eine Predigt in der Freyburger Marienkirche angesetzt und schickte seinen einäugigen Diener ins Frauenzimmer, um Elisabeths Anwesenheit einzufordern. Natürlich hatte er genau gewusst, in welche Schwierigkeiten er sie damit brachte. Denn für Ludwig war es wichtig, dass Elisabeth mit ihm zusammen die Schwägerin empfing. Er wusste, dass die beiden sich gernhatten, und hoffte, dass dadurch das Treffen angenehmer und die Versöhnung leichter werden würden.
Johannes traf Elisabeth nicht im Frauenzimmer an, sondern nur Guda und Isentrud. Ich selber war zu der Zeit in der Küche und besprach mit den Herrenköchen, welches Essen für die Landgräfin bei der Tafel erlaubt war, damit bei Tisch gar nicht erst Unruhe aufkam. Natürlich richteten die beiden anderen Elisabeth Konrads Wunsch – der einem Befehl gleichkam – sofort aus. Jetzt befand sie sich in einer Zwickmühle. Sie lief zu Ludwig, der ihr klarmachte, dass hier der Familienfrieden vorging und sie schon an ihren Sohn denken müsse, der vielleicht einmal über Meißen herrschen würde. Und schließlich habe sie Konrad zwar Gehorsam gelobt, aber nur in Dingen, die nicht der Gewalt ihres Mannes unterlagen. Sie habe also von ihrem Beichtvater nichts zu befürchten, wenn sie die Predigt versäume. Schweren Herzens kleidete sie sich für den Empfang um. Doch in der Eile vergaß sie, Konrad Nachricht darüber zu schicken, dass sie fernblieb.
Der Empfang war strahlend und prächtig und fand bei herrlichem Sonnenschein im festlich geschmückten Burghof statt. Danach begab man sich im großen Saal zu Tisch, und ein fröhliches Schmausen begann. Und endlich, nach dem Essen, hatte die Einladung den erwünschten Erfolg. Ludwig und seine Halbschwester lagen sich in aller Öffentlichkeit in den Armen und zeigten so ihre glückliche Versöhnung. Das war am frühen
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