Die Tore des Himmels
Vögelchen mit Guda und Isentrud, und Hemma von Nebra kehrte weder an die Tafel zurück, noch erschien sie am nächsten Morgen zur Verabschiedung.
Ähnlich ging es uns bei denen von Alsfeld. Überall stieß Elisabeth mit ihrem Benehmen die Leute vor den Kopf, und Ludwig hatte alle Mühe, die Wogen wieder zu glätten. Der Umritt, mit dem Ludwig eigentlich den Adel fester an sich binden wollte, entwickelte sich zum Fehlschlag. Elisabeth war inzwischen so ausgehungert, dass sie manchmal Schwindelanfälle hatte. Irgendwo auf dem Weg zum Landtag, acht deutsche Meilen vor Mittelhausen, fiel sie entkräftet vom Pferd. Ludwig sprang voller Sorge ab, eilte zu ihr und beugte sich über sie. Und dann sah er, dass sie, verborgen unter den edlen Kleidern, die zu tragen er von ihr für den Umritt verlangt hatte, ein härenes Büßergewand trug.
Am Abend, in Mittelhausen, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden. »Dein Verhalten fällt auf mich zurück«, warf er ihr vor, »du schadest mir, merkst du das nicht?«
Elisabeth setzte sich müde auf einen Hocker. »Es tut mir leid, Bruder, wenn dem so ist. Aber ich kann meinen Schwur nicht brechen, das verstehst du doch?«
Ludwig setzte sich auf die Bettstatt und zog seine Stiefel aus. »Ich war von Anfang an dagegen, dass du Konrad von Marburg diesen Eid schwörst«, knurrte er. »Und dieses Speisegebot halte ich für unsinnig, das weißt du auch.«
»Ich muss mich daran halten, Liebster.« Elisabeth ging zu ihm und strich ihm liebevoll über die blonden Locken. Unwirsch stand er auf.
»Dann wird es das Beste sein, du kehrst mit deinen Zofen auf die Wartburg zurück und ich beende den Umritt alleine.«
»Du schickst mich weg?« Ungläubig schüttelte sie den Kopf.
»Herrgott, ich kann es mir nicht leisten, den Adel zu verprellen!« Wütend schnallte er den Gürtel mit seinem Essmesser ab und warf ihn auf den Tisch. »Wenn ich auf Kreuzfahrt bin, brauche ich verlässliche Ritter daheim. Gefolgsleute, die hinter mir stehen. Die mir den Rücken freihalten. Die Achtung und Respekt vor mir haben. Keine Ritter, die der Meinung sind, ich lasse mir von meiner Frau auf der Nase herumtanzen.«
»Das tue ich doch gar nicht.«
»Aber die Leute glauben es. Und außerdem – schau dich doch an. Du verlierst immer mehr an Gewicht, wirst jeden Tag schwächer. Heute hast du dich nicht einmal mehr auf dem Pferd halten können. Lieber Himmel, das kann doch nicht gesund sein.«
»Der Zustand meiner Seele ist mir wichtiger als der meines Körpers«, antwortete sie.
»Und der Zustand deiner Ehe?« Er sah sie an. Das raue Kleid hing an ihrer schmalen Gestalt schlaff herunter, ihre Lippen waren blass, ihre Haut trotz der natürlich dunklen Tönung durchscheinend und wächsern. Sie schloss die Augen.
»Versteh mich doch, Ludwig. Du weißt, ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt. Aber was ich tue, ist eine Sache zwischen mir und meinem Gott. Der Schwur ist geleistet, es ist nicht mehr zu ändern. Aber dir schaden ist das Letzte, was ich will. Wenn es dein Wunsch ist, dann kehre ich nach Eisenach zurück.« Sie wischte eine Träne fort.
Er seufzte und nahm sie in die Arme. »Ich liebe dich doch auch, Schwesterchen. Aber es ist wirklich besser, wenn du nicht mehr mit mir weiterreitest. Daheim auf der Wartburg kannst du wieder essen, was auf deinen Eigengütern wächst. Dann kommst du wieder zu Kräften.«
Sie küsste ihn. »Lass mich meinen Weg gehen, Ludwig, ich bitte dich«, sagte sie leise.
»Gisa, wo geht es nur mit ihr hin?«, fragte er mich, als wir uns am nächsten Morgen verabschiedeten. »Ich mache mir Sorgen.«
»Ich auch«, gab ich zu. »Sie wird immer dünner und immer strenger mit sich selbst.«
Er nickte. »Ich habe in den letzten Tagen wieder und wieder versucht, mit ihr zu reden, aber es ist müßig. Sie ist nicht zur Vernunft zu bringen.«
»Ein Gelübde muss erfüllt sein«, sagte ich, »da hilft keine Vernunft. Vielleicht hebt es Konrad von Marburg ja bald wieder auf. Vielleicht wollte er Elisabeth mit dem strengen Speisegebot nur auf die Probe stellen.«
»Ich werde ihm schreiben und einen Reiter nach Norden schicken«, beschloss Ludwig. »Er kann schließlich nicht wollen, dass sie verhungert.«
Ich war mir da nicht so sicher. Elisabeth zerriss sich beim Versuch, zwei Herren zu dienen: ihrem Ehemann und ihrem unerbittlichen Beichtvater. Und nicht nur ich wusste, dass dies auf Dauer nicht gutgehen würde. Irgendwann würde es Ärger geben,
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