Die Tore des Himmels
gewesen, sich vor ihre Damen zu stellen. Aber dann sah ich ihren Blick. Und sie sagte nichts. Sie tat nichts. In diesem Augenblick verachtete ich sie.
Konrad überlegte eine Weile. Dann bückte er sich und berührte Elisabeth an der Schulter. »Erhebe dich, mein Kind«, sagte er mit sanfter Stimme.
Wie eine arme Sünderin stand sie vor ihm, den Kopf gesenkt.
»Du hast unrecht getan, aber wie ich höre, lag keine Absicht in deinem Verhalten.«
Sie nickte und schluckte die letzten Tränen hinunter.
»Aber ihr!«, brüllte Konrad meine beiden Freundinnen an. »Ihr habt mit eurer Leichtfertigkeit Gott gelästert. Ihr habt eurer Herrin und auch mir und dem Himmel Schande gemacht! Habt nicht auch ihr das Gelübde geleistet? Habt nicht auch ihr Gehorsam geschworen?«
Die beiden nickten mit schuldbewusster Miene.
»Kniet nieder!«, dröhnte der Prediger.
Die beiden sahen sich unsicher an, taten aber dann, wie geheißen. Und dann trat Konrad hinter sie. Mit zwei raschen Griffen riss er ihnen die Mäntel herunter. Elisabeth und ich schrien auf. Was sollte das bedeuten? Plötzlich hielt er ein Stück Strick in der Hand. Es war sein Gürtel, den er gelöst hatte. Er maß eine gute Elle ab. Dann klatschte der Strick auf Gudas und Isentruds Rücken, immer und immer wieder. Ich sah Elisabeth an. Das konnte, das durfte sie nicht zulassen! Aber sie barg nur das Gesicht in den Händen. Ich jedoch, ich sah zu, bis die Kleider der beiden Geschlagenen aufrissen, bis sie sich vor Schmerz krümmten, bis sie verzweifelt baten, ihr Peiniger möge ein Ende machen. Und ich sah, wie sich Konrads Gemächt aufrichtete unter seiner Kutte, während er immer erbitterter zuschlug. Wie sein Gesicht einen Ausdruck der Verklärung annahm.
Dieser Mensch war der Teufel.
Creuzburg, Winter 1227
E s war drei Wochen nach Neujahr, und der junge Landgraf hatte die Hofhaltung gerade von der Wartburg, wo man Weihnachten gefeiert hatte, auf die Creuzburg verlegt. Ein dick vermummter Reiter lenkte sein Pferd im vorsichtigen Schritt durch Schnee und Eis zur Burg hinauf; auf seiner ledernen Tasche prangte ein Doppeladler auf goldenem Grund, auf der Satteldecke erkannte man die drei Löwen des Herzogtums Schwaben. All das wies ihn als Sendboten des Kaisers Friedrich II . aus. Dementsprechend ehrerbietig wurde er am Tor empfangen, und man führte ihn sofort zu Ludwig.
»Gott grüß Euch, Herr Landgraf«, begann der Bote. Von seinem Mantel tropfte der tauende Schnee auf die Steinfliesen vor dem Kamin. »Und auch der Kaiser, Herr Friedrich, unser aller würdiger Herrscher, lässt Euch grüßen.«
»Meinen Dank«, erwiderte Ludwig und hielt dem ausgefrorenen Mann einen Zinnbecher mit gewärmtem Würzwein hin, den dieser gierig hinunterstürzte. »Welche Nachricht bringt Ihr mir?«
Der Bote entgegnete nichts. Er öffnete stattdessen seine Umhängetasche und holte ein sorgfältig verschnürtes Leinenpäckchen heraus, das er dem Landgrafen mit einer Verbeugung hinhielt. Ludwig löste die Bänder und schlug den Stoff zurück. Was er dann sah, entlockte ihm einen kleinen überraschten Aufschrei: Ein Stück rotes Tuch fiel ihm entgegen. Und als er es entfaltete, hatte es die Form eines Kreuzes.
»Endlich!«, rief Ludwig und schloss seine Faust um die rote Seide. »Endlich!«
Es war die Aufforderung zum Kreuzzug.
»Ich habe außerdem ein kaiserliches Schreiben für Euch«, sagte der Bote und holte ein versiegeltes Pergament aus der Innentasche seines Mantels. Ludwig nahm es entgegen und entließ den Überbringer mit höflichen Dankesworten. Dann ließ er seinen Schreiber rufen, einen Mönch aus Reinhardsbrunn, denn wie die meisten Herren vom Adel konnte auch er weder lesen noch mehr als seinen Namen schreiben.
Der junge Benediktiner kam eilends herbei, erbrach das Siegel und sah sich den Text an. »Es ist Lateinisch, Herr«, sagte er.
Ludwig machte eine auffordernde Geste. »Dann übersetze sinngemäß, Thomas.«
»Der Kaiser lässt Euch sagen, er habe die restlichen zweitausend Silbergulden des Kreuzfahrtgelds, die er Euch zu Cremona versprochen hat, bereits am Nikolaustag losgeschickt, sie dürften also bald in Thüringen eintreffen.«
Ludwigs Miene hellte sich auf. Das war wirklich eine freudige Nachricht! »Weiter!«
»Hier steht, Kaiser Friedrich habe Papst Honorius zugesagt, noch im Jahre des Herrn 1227 ins Heilige Land aufzubrechen. Das Heer der Kreuzfahrer soll sich sammeln in Unteritalien in der Stadt Brindisium, von wo sich die Ritter im
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