Die Tore des Himmels
Konrad, das gescheiterte Gelöbnis, ihre Tante, das war zu viel. »Ich …«, stotterte sie, »ich … weiß nicht … was soll ich …«
Isentrud kam ihr zu Hilfe. »Wir müssen erst ihren Beichtvater fragen, dem sie zu Gehorsam verpflichtet ist.«
Mechthild wedelte mit der Hand. »Schon gut, macht das.«
Isentrud rannte los.
Eine Stunde später saßen wir im Reisewagen der Äbtissin und waren unterwegs nach Kitzingen. Nun würden andere sich um uns kümmern.
Drittes Buch Soror in Saeculo
Gisa
K eine drei Wochen später saßen wir wieder in der Kutsche. Elisabeth hatte es innerhalb kürzester Zeit fertiggebracht, sich im Kloster unmöglich zu machen. Ihr Widerstand gegen das angenehme Leben, das ihr die Tante bot, hatte schon damit begonnen, dass sie sich geweigert hatte zu baden. »Die Armen können sich auch kein Bad leisten!« Das waren ihre Worte gewesen. Danach war sie weiterhin schmutzig und verlaust in ihren alten Lumpen herumgelaufen und hatte die Nonnen damit vor den Kopf gestoßen. Natürlich lehnte sie auch sämtliche ihr angebotenen Speisen ab, nachdem diese ausnahmslos von Abgaben der Hintersassen stammten.
Die wütende Äbtissin hatte Elisabeth am Ende vor die Wahl gestellt, entweder den Schleier zu nehmen, sich anzupassen und bei den Benediktinerinnen zu bleiben, oder das Kloster zu verlassen. »Wir können keinen Störenfried hier brauchen.« Das waren ihre knappen Worte.
»Dann muss ich gehen«, hatte Elisabeth geantwortet. Sie war schon so weit gegangen, sie ließ sich nicht mehr beugen. Und nun waren wir auf dem Weg nach Bamberg zu ihrem Onkel Ekbert. Sophie ließen wir bei ihrer Großtante, hier würde sie gut aufgehoben sein. Hermann dagegen hatten wir dabei – sein sechster Geburtstag, ab dem er nicht mehr bei den Nonnen würde bleiben können, stand ja unmittelbar bevor.
Bischof Ekbert von Bamberg war ein weitberühmter Mann und einer der mächtigsten Geistlichen im Reich. Er hatte im letzten Jahr die Kreuzfahrer bis nach Süditalien begleitet, war aber vor Ludwigs Tod wieder umgekehrt. Seine größte Unternehmung, an der sein ganzes Herz hing, war der Bau eines neuen Doms in seiner Stadt Bamberg, nachdem der altehrwürdige Heinrichsbau abgebrannt war.
Ekbert empfing uns in vollem Ornat und mit allen Ehren an seinem Bischofssitz. Er war ein ehrfurchtgebietender Mann von bald sechzig Jahren, mit dichtem, schlohweißem Haar und rundlichem Gesicht. Auf den ersten Eindruck hin wirkte er freundlich und einnehmend, aber seine harten, stechend grauen Augen verrieten den Machtmenschen. Wie erwartet, war auch er über Elisabeths Aufzug entsetzt, aber er behielt dennoch seine anfängliche Liebenswürdigkeit: »Hat man dir zu Kitzingen denn nichts zum Anziehen gegeben, Kind?«, fragte er besorgt. »Was möchtest du? Eine schöne graue Witwentracht oder lieber einen dunklen Surkot? Ich lasse dir gleich alles bringen!«
»Dank dir, Onkel«, antwortete Elisabeth, »aber ich bleibe gern so, wie ich bin.«
Er runzelte die Stirn, ließ uns aber dann ohne Erwiderung in unsere Gemächer bringen. Dabei hörte ich, wie er zu seinem Secretarius sagte: »Armes Ding, es steht schlimmer um sie, als ich geglaubt habe. Der Tod ihres Gatten hat sie wohl schrecklich getroffen. Nun, wir werden sie schon auf andere Gedanken bringen.«
Er sollte sich täuschen.
Nachdem die Hofhaltung in Bamberg damals nicht bewohnbar war, weil diese eben umgebaut und erweitert wurde – man hatte die Verbindung der Bischofsresidenz zum Dom abgebrochen und alles war eine einzige Baustelle –, brachte Ekbert uns im alten Herzogshof in der Domgasse unter. Wie früher saßen wir vor dem flackernden Kaminfeuer, erzählten uns Geschichten, sangen und machten Handarbeiten. Nach der entbehrungsreichen Zeit im Elend war uns jetzt erst bewusst, wie gut es uns immer gegangen war, und wir kosteten das fürstliche Leben und die Bequemlichkeit aus. Dies umso mehr, als wir fürchteten, dass es nicht lange dauern würde. Früher oder später würde sich Elisabeth auch mit ihrem Onkel überwerfen. Und dann war da ja noch Konrad von Marburg, der in Thüringen mit Heinrich Raspe über Elisabeths Abschichtung verhandelte und irgendwann endgültig darüber Nachricht geben würde, wie es weiterging.
In den ersten Tagen lief Elisabeth unruhig im Frauenzimmer auf und ab. »Wie soll ich es hier aushalten?«, fragte sie.
»Sieh es als Zeit des Übergangs an«, riet ich ihr. »Warte ab, bis Konrad von Marburg kommt und endgültig
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