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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Gertrud im Reisewagen, begleitet von dem Prediger mit seinem einäugigen Diener und einem Trupp Bewaffneter. Die Männer waren nicht nur zu unserem Schutz da – unser Wohl und Wehe waren Heinrich Raspe herzlich gleich –, sondern zur Bewachung der hundertzwanzig Silbermark, die wir als erste Rate des vereinbarten Abschichtungsgeldes mit uns führten. Mehr hatte Heinrich in der Kürze der Zeit nicht in Münzen aufbringen können.
    Nördlich unterhalb der kleinen Stadt ließ Konrad von Marburg anhalten. Er zeigte auf ein weites, grasbewachsenes Stück Land zwischen zwei Bächen: »Das muss es sein! Die Landzunge zwischen dem Schwarzen Wasser und der Ketzerbach.«
    Wir stiegen alle aus und nahmen das Gelände in Augenschein. Es war einigermaßen eben, nur vereinzelt wuchsen Haselnusssträuche und kleinere Bäume im hohen Gras. Bis zum nördlichen Stadttor war es vielleicht eine knappe Meile Wegs. Nicht weit entfernt stand am Lahnufer eine alte Mühle. Und am Rand des Grundstücks, wo ein Grüppchen Kopfweiden sich zusammendrängte, sprudelte sogar klares Quellwasser. Es war perfekt. Dies alles schien nur darauf gewartet zu haben, dass jemand hier ein Hospital baute. Als die Sonne zwischen den dichten Wolken hervorbrach und alles Grün um uns herum zum Leuchten brachte, erfasste sogar mich so etwas wie Vorfreude. Hier würden wir in Zukunft unsere Heimat haben.
    Obwohl wir uns natürlich ein Quartier in der Stadt hätten leisten können, bestand Elisabeth darauf, eine einfache Unterkunft zu suchen, in der wir bleiben konnten, bis das Hospital gebaut war. Der einäugige Johannes schlug daraufhin vor, uns zu seiner Schwester zu bringen. Die hatte einen Freibauern geheiratet und bewirtschaftete mit ihm ein kleines Gut in dem nahen Dorf Wehrda. Konrad war einverstanden, und so nahmen wir schließlich Wohnung in zwei Knechtskammern unter dem Dach eines Bauernhauses. Später hieß es, wir hätten zu Wehrda in einer halbzerfallenen Ruine gewohnt, die kaum genug Schutz vor dem Regen geboten habe, aber das stimmt nicht, wie so viele Geschichten, die man sich heute über Elisabeth erzählt. Wir hatten es sogar recht bequem, was Elisabeth gleich in der ersten Nacht dazu veranlasste, nicht in der Bettstatt zu schlafen, sondern im Stroh unter der Treppe, die auf den Trockenboden führte. Sie wollte sich so wenig Annehmlichkeiten wie nötig gönnen. Wir hatten inzwischen aufgegeben, ihr dreinzureden, und gingen müde zu Bett.
     
    Am nächsten Morgen in aller Frühe verließen uns Konrad und sein Gehilfe. Der Prediger musste in den Norden ziehen und ließ uns mit der Aufgabe, möglichst schnell ein Hospital aus dem Boden zu stampfen, alleine. Ich war froh, dass er ging; unterwegs hatte er Elisabeth und uns ständig mit seinen Regeln und Vorschriften gequält. Seine Anwesenheit und die seines gehässigen Dieners hatte sich uns allen wie eine dunkle Wolke aufs Gemüt gelegt. Mich hasste er spätestens, seit ich ihm auf der Creuzburg meine Meinung gesagt hatte, und das ließ er mich ausgiebig spüren. »Wir schaffen es auch ohne ihn«, meinte Elisabeth voller Tatendrang. Seit Ludwigs Tod sah ich sie in dieser Zeit zum ersten Mal wieder lachen.
    Wir hatten alle Hände voll zu tun. Endlich! Auch mir tat es unendlich gut, mit einem Mal wieder eine Aufgabe zu haben. Es brachte mich auf andere Gedanken. In den letzten Wochen hatte ich an nichts anderes denken können als an meine zerbrochene Liebe. Ich hatte gegrübelt, hatte mir Vorwürfe gemacht, hatte mit mir selber und mit Raimund gehadert. Warum hatte er mir nicht vertraut? Ich fühlte mich so furchtbar verlassen, so enttäuscht. Und doch, es war alles meine Schuld gewesen. Niemals hätte ich mich auf Heinrich Raspe einlassen dürfen. Ich hatte einen Fehler gemacht, für den ich nun bitter bezahlen musste, und ich hasste mich selber dafür. Aber nun galt es, nicht mehr an die Vergangenheit zu denken, sondern für die Zukunft anzupacken. Wir gingen also mit Feuereifer an die Arbeit.
    Gleich am ersten Tag ritten wir nach Marburg und stellten uns beim Schultheiß vor. Er war hocherfreut, als er von unserem Vorhaben erfuhr, und versicherte uns seiner Unterstützung. Bis zum Nachmittag war es ihm gelungen, für uns Zimmerleute und Taglöhner anzuheuern; sie kamen gleich mit uns zum Hospitalgrundstück und ließen sich erklären, was zu tun sei. Unterwegs hatten sich Elisabeth und Konrad schon Gedanken über Bau und Aussehen des Hospitals gemacht, und so war alles schnell gesagt. In der

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