Die Tore des Himmels
gedacht war. Und nachdem er alles in Augenschein genommen und für gut befunden hatte, wies er uns an, am Abend in die Kapelle zu kommen.
Wir warteten bei Sonnenuntergang vor dem steinernen Altar, als er hereinkam, einen Packen grauen, ungefärbten Wollstoff unter dem Arm.
»Es ist nun an der Zeit, die Hospitalgemeinschaft zu gründen und eure Einkleidung vorzunehmen«, sagte er. »Ihr werdet Schwestern in der Welt sein. Wie wahre Bräute Christi werdet ihr das Gelübde der Armut, der Keuschheit, des Gehorsams und des Dienstes an den Kranken und Armen ablegen. Ihr werdet Gott geweiht sein, aber ihr seid keine Nonnen. Ihr werdet nach der Regel des Heiligen Augustinus leben, die keinen festen Tagesablauf vorschreibt, damit ihr eurer Arbeit nachgehen könnt. Ihr werdet regelmäßig an den Gottesdiensten teilnehmen und die Sakramente empfangen. Aber ihr lebt in keiner klösterlichen Gemeinschaft, ihr dürft das Hospital verlassen, wie es euch gefällt. Die Verantwortung für euch und das Hospital obliegt mir, ich werde das Vermögen verwalten und alle wirtschaftlichen Entscheidungen treffen. Nun lasst uns beginnen.«
Ich war völlig überrascht. Immer noch fühlte ich mich nicht bereit, ein Gelübde abzulegen. Nicht, weil ich noch erwartete, einmal zu heiraten. Aber alles in mir widerstrebte der Vorstellung, mich diesem Prediger unterwerfen, dem ich zutiefst misstraute und der mich verabscheute. Ich wollte mich einfach nicht in seine Hände begeben. Aber konnte ich es wagen, mich ein zweites Mal zu widersetzen? Ich hatte Angst vor Konrads Zorn. Stumm beobachtete ich, wie er die Messe hielt und dann zuerst Guda und Isentrud zu sich bat. Gegenseitig zogen sie sich das Obergewand aus und standen im langen Hemd vor ihm. Er ließ sie die Formel nachsprechen, dann streifte er ihnen das grobe Kleid über, das sie in Zukunft zum Zeichen ihrer Schwesternschaft tragen würden.
Als Nächstes kam Elisabeth. Sie zog lächelnd ihr Unterkleid und den alten braunen Surkot aus, nahm das Kopftuch ab und drückte mir alles in die Hand. »Hebt die Sachen gut auf«, sagte sie zu mir, »weil ihr sie dann nach meinem Tod nicht erst suchen müsst, wenn ich einmal heilig sein werde und Gott durch mich Wunder wirken wird.«
Ich legte mir das löchrige Gewand über den Arm und staunte wieder einmal über die Selbstverständlichkeit, mit der sie annahm, von Gott unter die Heiligen aufgenommen zu werden. War das nicht Hoffart? Eine lästerliche Anmaßung? Aber Konrad schwieg zu ihren Worten. Er nahm ihr den Eid ab und zog ihr das graue Kleid über den Kopf. Es war ihr viel zu kurz, aber das machte ihr nichts aus. Für sie war an diesem Abend allein wichtig, dass sie einen weiteren Schritt zur Heiligkeit getan hatte.
Dann kam ich an die Reihe. Ich sah zu den anderen hin, die nebeneinander standen in ihrer grauen Tracht. Elisabeth gab mir ein aufmunterndes Zeichen. Ich trat einen Schritt vor. Dann noch einen Schritt. Ich sah Konrads rötliches Gesicht mit den stechenden Augen dicht vor mir, und alles in mir sträubte sich. »Nein«, hörte ich mich sagen. »Ich kann nicht.«
Konrads Blick schien mich zu durchbohren. Aus seinen Augen schoss blanker Hass. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich geworden. Seine Hand zuckte; für einen Augenblick sah es so aus, als wolle er mich schlagen. Aber dann beherrschte er sich. »Wie du willst«, fauchte er mich an und drehte sich brüsk um.
»Warum nur hast du dich zum zweiten Mal verweigert?«, fragte mich Elisabeth später traurig. »Ist dein Glaube so gering?«
Ich fühlte mich schlecht, so als ob ich sie im Stich gelassen hätte. »Ja«, sagte ich, »verglichen mit deinem ist mein Glaube wohl zu klein. Bist du mir jetzt gram?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Und ich habe Angst vor diesem Menschen«, fügte ich hinzu. »Er ist böse, ich weiß es.«
»Bleibst du trotzdem bei uns?«, fragte sie. »Oder willst du gehen?«
»Ach, Elisabeth, wo sollte ich denn hin? Ihr drei seid doch alles, was ich auf der Welt habe.«
Da umarmte sie mich innig.
»Ich hab auch Angst um dich«, flüsterte ich ihr ins Ohr. »Es macht ihm Freude, Menschen zu quälen.«
»Du verstehst nicht«, erwiderte sie. »Er muss mich manchmal züchtigen, damit ich Gehorsam und Demut lerne. Denn ich bin immer noch voll der Sünde. Er tut es nur für mich.«
Am selben Abend kam der einäugige Johannes zu uns herein und drückte Elisabeth etwas in die Hand. Sie verbarg es hinter ihrem Rücken. »Was hast du da?«, wollte
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