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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Sauhunden unterwegs. Die Landgrafensöhne hatten sich als Begleiter Friedrich von Treffurt, Heinrich von Ebersburg, Hermann von Furra und die beiden Edelfreien von Kaulberg gewählt. Der alte Kaulberger führte die Hunde, die er jetzt, unter der großen Eiche, von der Leine ließ. Japsend und kläffend stürmten sie los, die Nasen am Boden. Nach kaum einer halben Stunde hatten sie eine kleine Rotte Wildschweine aufgestöbert, und Hermann von Furra erlegte die erste fette Bache. Es war ein leichtes Spiel gewesen, und spätestens jetzt hatte das Jagdfieber alle gepackt. Bis Mittag waren fünf Bachen und zwei kleine Keiler zur Strecke gebracht, ein achtbares Ergebnis. »Ludwig, jetzt bist du an der Reihe«, meinte Raimund von Kaulberg fröhlich. Der zweitälteste Landgrafensohn hatte zwar schon mehrere Wildschweinjagden mitgemacht, aber bisher immer Pech gehabt. »Die nächste Sau gehört dir!«
    Ludwig nickte. Er trug einen dicken Schal um den Hals, der die blauroten Würgemale verbarg; der Schreck des Erlebnisses saß ihm immer noch in den Knochen. Die Ablenkung tut ihm gut, dachte Raimund und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Gleich darauf hörten die Männer schon das nächste Grunzen; die Meute trieb ihnen ein neues Opfer entgegen. Ludwig wurde vor Aufregung ganz weiß um die Nase, diesmal wollte er auf keinen Fall leer ausgehen. Er packte seine Saufeder fester und wandte sich an der Spitze der Gruppe in die Richtung, aus der das Grunzen kam. Der Wald war an dieser Stelle dicht; man würde erst spät sehen, woher das Tier kam. Und dann ging alles ganz schnell. Ein Trampeln, Rascheln und Knacken, und der Keiler brach durchs Gebüsch. Es war ein großes, fast schwarzes Exemplar, an die sieben Fuß lang. Ludwig sah den gedrungenen, massiven Körper mit den zottigen Borsten, den keilförmigen Kopf und die fürchterlichen Hauer, die schon manchem Jäger zum Verhängnis geworden waren. In Panik galoppierte der von den Sauhunden getriebene Keiler auf die Männer zu, die jetzt in Formation gingen. Ludwig wusste, was zu tun war. Er stellte sich mit gespreizten Beinen fest auf den Boden, legte sein Körpergewicht möglichst weit nach vorn und streckte seine Waffe vor. Wenn er so dem Tier entgegentrat, würde es sich selber den Spieß in die Brust rennen. Der Schwarzkittel donnerte heran, die ersten Hunde gleich hinterdrein. Das Vieh war riesig, und es griff in wilder Wut an. Schon sah Ludwig das Weiße in den Augen des Keilers. Er hielt den langen Spieß ganz fest, hörte sich selber schreien, ein Stoß, ein Ruck, und dann war alles vorbei. Der Keiler lag am Boden, die metallene Spitze der Saufeder im Hals.
    Ludwig stand schwer atmend da und war einfach nur erleichtert. Die anderen kamen heran, klopften ihm auf die Schulter und beglückwünschten ihn. »Ein Hauptschwein!«, schrie der Treffurter, »Donnerwetter, Junge!«
    Sein Bruder Hermann warf ihm eine zweite Saufeder zu. »Immer noch mal aus sicherer Entfernung nachprüfen, ob das Vieh auch wirklich tot ist«, mahnte er. »Du kennst dich ja aus, ein letzter Stich geradewegs ins Herz.«
    Ludwig nickte und trat zu dem reglos daliegenden Keiler. Es war wirklich ein prachtvolles Tier. Kopf und Gewaff, wie man die Zähne nannte, waren außergewöhnlich groß. Stolz konnte man sein auf solch eine Beute! Ganz versunken stand Ludwig da, fast ehrfürchtig bewunderte er die Kreatur, die einem noch im Tod Respekt abforderte. Sein kleiner Bruder Heinrich kam hinzu und sah ihn mit neidvollem Blick an. »Bei der nächsten Jagd kriegst du auch einen Spieß«, tröstete Ludwig. Dann warf er sich in die Brust und ging zu den anderen, die ihn hochleben ließen. Ein Kuhhorn mit Wein machte die Runde, Raimund von Kaulberg erzählte einen seiner berüchtigten Jagdwitze, alle waren übermütig und ausgelassen.
    »Hast du ihn noch mal gestochen?«, fragte Hermann schließlich und zog sein Jagdmesser, um den Keiler aufzubrechen. »Ja, ja«, winkte Ludwig ab – und im nächsten Augenblick wurde ihm klar, dass er gerade die Unwahrheit gesagt hatte. Heiliger Strohsack, das hatte er im Überschwang seines Glücks ganz vergessen! Aber was sollte schon sein, natürlich war das Vieh tot, was denn sonst? Lag da und rührte sich nicht. Mausetot.
    Hermann kniete sich neben den Keiler und setzte das Messer an. Und dann geschah das Unfassbare. Mit einem erschrockenen Quieken fuhr der Keiler plötzlich hoch und warf sich herum. Eine schnelle Kopfbewegung, und ein Eckzahn bohrte sich tief in

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