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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Wortte unsers Freunds Walther: »Daran gedencket, Ritter, die Kreutzfahrt ist euer Dingk. Ihr traget die lichten Helme und manchen hartten Ringk, darzu die festen Schild und die geweihten Schwertt.« Ja, wen würden die Verße des Ritters von der Vogelweyden nit anrührn? Und auch der Papst schickte immer wieder Nachrichtten, uns zum Durchhaltten zu ermuthigen.
    Dann traf endtlich Graf Wilhelm von Hollandt ein, der zu Portugal überwintert hatt. Er führte viel tausend niederländisch, flämisch, friesisch und teutsche Heerscharen an. Und man entschloß sich, den Sultan an der verwundtbaren Flanke anzugreiffen: in Egypten. Viel Jubel erscholl unter den Rittern, denn das Wartten und Hoffen warn wir leyd. Im Monat Mai bestiegen wir die Schiffe und erreichten bey guthem Windt nach drey Tagen Dimyat, das die Christen Damietta nennen, ein feßte Hafenstadt, die dortten liegt, wo der Fluß Nil ins Meer mündet und den eintzigen schiffbaren Arm des Nils bewachet. Wer nach Khairo will, der Hauptstadt des Sultans al Adil, der muß an Damietta vorbey. Aber gleich vor der Stadt, am Ufer des Flußes, stehet ein Thurm, der ist starck wie ich nie einen gesehn hab. Von dißem Thurm aus ist der Nil mit Ketten gesperrt, sodaß unßere Schiffe nit weitter einfahrn können und nun im östlichen Nilarm anckern.
    Die Mußelmanen warn so überrascht, daß es uns sogleich gelang, an Landt zu gehn und ein Lager zu errichten mit Gräben und Wällen. Und sofort bauten wir, voll des neuen Muths, Schleudern und Bliden zum Beschuß des Ketten-Thurms. Vor zweyen Wochen wagten wir ein Versuch mit einem Floß, das auf Schiffen gebaut war, die wir mit Balcken und Plancken miteynander verbunden hatten. Dabey gossen die Muselmannen Feuer mitten über die, welche unsere Sturm-Haken über die Zinnen des Thurms werffen sollten. Unser armer Knapp Eberwin stand lichterloh in Flammen, und es war umeinsonst, daß ihn einer in den Fluss warff. Denn das unheimlich Griechisch Feuer brennt auch im Wasser, und so hat er seyn Leben elendiglich ausgehauchet. Ich bitt dich, schick Nachricht an seine Leutt, daß wir ime ein ehrenvolles Begrebnis bereittet haben.
    Item nun muß ich dir noch meher berichten, libste Eilika, was uns an Unbill schwer getroffen. Nit nur, daß wir seit über drey Monat den Kettenthurm nit haben erobern können und vil Verlust erlitten haben. Sondern gestern ritten mein guther Vater und ich, zusammen mit etlich mehr braven Rittern zum See Mansala, der vor Damiett liegt, um dortten Fisch und Wasser-Vögel in Vorrat zu schaffen. Da begegnet uns ein Trupp Mußelmanen, die griffen gleich an mit ihrn Lanzen und Pfeylen. Mich selber traf ein Pfeil am Schenckel, grad an dißer Stelle aber hatte ich einen Dolch im Stiefel stecken, der zerprach zwar, aber ich plieb, durch Gotts Hülfe, unverletzt. Doch der andern wurden vil getroffen. Nachdem die Pfeil abgeschoßen warn, ritten die Feindt heran, und wir kämpften mit dem Schwertt. Mein Vater, der neben mir focht, wurd an der Schultter verletzet. Wegen der groszen Hitz trug er kein Ketten-Hemd unter dem Waffenrock, das war sein Verhängniß. Er fiel vom Pferd, und sein Gegner sprangk ab, um ihm den Todes-Stoß zu versetzen. Da war aber ich zur Stell und schlug dem Feindt die Kling auf die Stirn, daß sie auf klaffte wie ein Fischmaull. Mit groszem Mut gelang es unß, die Muselmanen in die Flucht zu schlagen und ihrer vil zu töten. Darnach schafften wir die Toten und Verwundten zurück ins Lager. Der Vater ligt nun im Zelt bey den Krancken, er hat ein tieffen Schnitt, der aber nit tödlich ist, sagt der Medicus. Die schwarze Wundtsalbe wird ihn wohl bald wider gesundt machen, so der Herr will.
    Nun genug, es bricht die Nacht hereyn. Morgen stechen zwey Ritter des Teutschen Ordens in See, um in die Heymat zu segeln. Ihnen vertrau ich dieß Schreiben an. Auch ich werde dereinst heim kommen, meine Schöne, wenn Jerusalem befreit sein wird und ich eine Herschafft oder ein Lehen erobert hab. Wart nur noch ein kleine Zeitt auff mich und vergiß nit auff meine Lieb und Treu. Amen.
    Im Zeychen des Kreutzes Raimund von Kaulberg.
    Gegeben zu Damietta den Sambstag Egidy ao. 1218

Gisa
    G udas kleine braune Stute scheute, als vor ihr ein Igel durch die Blätter raschelte. Jedes von uns Mädchen hätte sein Pferd wieder in den Griff bekommen, nur Guda nicht; sie war eine miserable Reiterin. Sie zerrte erschrocken an den Zügeln und schrie auf, da buckelte die Braune auch schon, brach aus und galoppierte durch die

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