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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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elf.«
    »Ich danke Ihnen.« Doyle eilte hinaus. Noch anderthalb Stunden, bis er mit Benner verabredet war; da blieb ihm genug Zeit, diesen schwindelhaften Byron zu sehen und vielleicht darauf zu kommen, was er mit der Schaustellung bezweckte. Byron war keine schlechte Identität für einen Schwindler, denn der echte Byron war um 1810 noch ziemlich unbekannt - erst die Veröffentlichung von Childe Harolds Pilgrimage zwei Jahre später sollte ihn berühmt machen -, so daß der Mann auf der Straße nicht gut wissen konnte, daß Byron gegenwärtig Griechenland und die Türkei bereiste. Aber welches schwindelhafte Unternehmen konnte durch die Ausnutzung seines Namens soviel einbringen, daß es sich lohnte, mit Goldsovereigns »um sich zu werfen«?
    Er wanderte südwärts zur Lombard Street und hatte keine Mühe, den Gimli's Perch zu finden - es war die Schenke, vor der eine Menschenmenge die Straße sperrte. Doyle versuchte über die Köpfe hinwegzusehen.
    »Zurück, Kerl!« knurrte ein fetter Mann vor ihm. »Du wartest wie alle anderen, bis du dran bist.«
    Doyle entschuldigte sich und umging die Menge, um sich an eines der Fenster heranzuschieben; dort legte er beide Hände an die Schläfen und spähte ins Innere.
    Die Schenke war gerammelt voll, und zunächst konnte Doyle nichts erkennen als lärmende Zecher, alle eifrig beschäftigt, entweder volle Becher zu leeren oder die geleerten den geplagten Kellnern hinzustrecken; dann erspähte er durch eine Lücke, die sich zufällig im Gedränge auftat, einen jungen Mann mit dunklem Lockenhaar, der zur Theke hinkte und lächelnd einen Stapel Münzen auf die Oberfläche setzte. Hochrufe erklangen, die Doyle durch das dicke Glas hören konnte, und der junge Mann verschwand hinter einem Wald von fuchtelnden Armen.
    Doyle zog sich aus der Menge zurück und lehnte sich gegen einen Laternenpfahl. Obwohl die Oberfläche seines Bewußtseins ruhig war, fühlte er einen kalten Druck tief in seinem Innern, der sich ausweitete, und er begriff, daß, wenn dieser Druck wie ein auftauchendes U-Boot hochkäme, er als Panik kenntlich sein würde. Also versuchte er sich durch gutes Zureden Mut zu machen. Byron ist irgendwo in der Türkei oder Griechenland, sagte er sich mit Entschiedenheit, und es ist reiner Zufall, daß dieser junge Bursche den Porträts so verdammt ähnlich sah. Und entweder ist dieser Hochstapler zufällig auch lahm oder er hat sein Vorbild so gründlich studiert, daß er das Detail von Byrons Lahmheit schon hinzugefügt hat... obwohl um 1810 so gut wie niemand damit rechnen würde. Aber wie ist der Schnurrbart zu erklären? Byron ließ sich im Ausland einen Schnurrbart wachsen - man konnte es auf dem Porträt von Phillips sehen -, doch selbst wenn ein Nachahmer irgendwie davon erfahren haben sollte, würde er dieses Detail schwerlich gebrauchen, um Leute zu täuschen, die, wenn sie den echten Byron überhaupt kannten, ihn glattrasiert gesehen hatten. Und wenn der Schnurrbart bloß ein Versehen ist, etwas, das der Nachahmer nicht genau wußte, warum dann das zutreffende Detail des Hinkens? Die Panik oder was immer es sein mochte, war in ihm noch am Wachsen. Wie, dachte er, wenn dieser Mann Byron ist und sich überhaupt nicht in Griechenland aufhält, wie die Geschichte behaupten wird? Was, zum Kuckuck, geht da vor? Ashbless soll hier sein, erscheint aber nicht, und Byron soll nicht hier sein, ist aber da. Hat Darrow uns in irgendein alternatives 1810 zurückgeschossen, von wo die Geschichte einen anderen Entwicklungsgang nehmen wird?
    Ihn schwindelte, und er war froh über die Stütze des Laternenpfahls, war sich aber darüber im klaren, daß er in das Wirtshaus gehen und herausbringen mußte, ob dieser junge Mann der wahre Byron war oder nicht. Er stieß sich vom Laternenpfahl ab und tat ein paar Schritte, doch die in ihm anschwellende Furcht war zu urtümlich und mächtig, um von einer so abstrakten Frage wie der, in welchem Zeitstrom er sei, ausgelöst zu werden. Etwas geschah mit ihm, etwas, das sein bewußter Verstand nicht spüren konnte, sein Unterbewußtsein jedoch aufwühlte wie eine Bombe, die am Grund eines Brunnens detoniert.
    Die Menschenmenge und das Gebäude vor ihm verloren plötzlich alle Tiefe und zugleich das meiste von ihrer Farbe und Schärfe, so daß er ein impressionistisches Gemälde der Szene zu betrachten schien, das nur in Abstufungen von Gelb und Braun gehalten war. Und jemand hatte den Lautstärkeregler zurückgedreht.
    Kurz bevor Licht und

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