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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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hölzerne Perle einen Zoll weiter hinaufschob und die Schlinge abermals anschlug; nun waren die Töne einander ähnlich, und für die Dauer eines Augenblicks schien die Flammenkugel zu verschwinden, obwohl sie wieder aufglühte, als die Töne verklangen.
    »Ich glaube, wir haben es«, sagte er gespannt. »Noch einmal jetzt!«
    Die zwei Töne, einer in London und einer in Griechenland angeschlagen, erklangen wieder, beinahe identisch - die Flamme wurde zu einem trüben, wabernden Grau -, und als das angeschlagene Metall noch sang, berührte er vorsichtig die Holzperle und schob sie eine Haaresbreite weiter. Die Töne waren jetzt identisch, und wo eben noch die Flamme gewesen war, befand sich jetzt ein Loch in der Luft, durch welches er den winzigen Ausschnitt des staubigen Fußbodens sehen konnte. Als der Doppelton verklang, erschien die eigentümliche Kugelflamme von neuem.
    »Wir haben es«, sagte Romanelli aufgeregt. »Ich konnte klar durchblicken. Schlag wieder an, wenn ich es sage, dann schicke ich ihn durch.«
    Er nahm die Lanzette und eine kleine Schale vom Nachttisch und wandte sich dem bewußtlosen Mann im Bett zu. Er hob eine schlaffe Hand, schlitzte eine Fingerkuppe mit der Klinge und fing die rasch hervorquellenden Blutstropfen in der Schale auf. Als er genug beisammen hatte, ließ er die Hand fallen, legte die Lanzette weg und wandte sich wieder der Kerze zu.
    »Jetzt!« sagte er und schlug die Schlinge mit dem Stab an. Wieder wurde der Ton beantwortet, und als die Kerzenflamme ein weiteres Mal zu einem Loch wurde, benetzte er die Finger mit dem Blut aus der Schale und schnippte ein Dutzend rote Tröpfchen durch.
    »Eingetroffen?« fragte er, die Finger für einen neuen Versuch erhoben.
    »Ja«, antwortete die Stimme vom anderen Ende, als der Ton verklang und die Flamme aufwuchs. »Vier Tropfen, genau ins Faß.«
    »Ausgezeichnet. Ich lasse ihn sterben, sobald ich höre, daß es gelungen ist.« Romanelli beugte sich zur Kerze und blies die Flamme aus.
    Er setzte sich auf einen Stuhl und betrachtete nachdenklich den unruhigen Schläfer. Die Auffindung dieses jungen Mannes war ein Glücksfall gewesen. Er eignete sich vollkommen für ihre Zwecke - ein Angehöriger des britischen Reichsadels, aber mit einem obskuren Hintergrund nahe an der Armut und - vielleicht wegen seiner Lahmheit - scheu und introvertiert, mit wenigen Freunden. Und während seiner Schulzeit in Harrow hatte er bereitwillig eine Satire veröffentlicht, mit der es ihm gelungen war, eine beträchtliche Zahl einflußreicher Leute in England zu beleidigen, darunter seinen Gönner, Lord Carlisle. Diese Leute würden alle bereit sein zu glauben, daß er das erschreckende Verbrechen begangen hatte, das Romanelli und sein britischer Ka in diesem Licht erscheinen lassen würden.
    »Dr. Romany und ich werden Euch aus der Unbekanntheit ins Rampenlicht der Öffentlichkeit bringen«, sagte Romanelli leise. »Wir werden Eurem Namen zu Ruhm verhelfen, Milord Byron.«

    Unter dem bemerkenswert milden Lächeln, das die Züge von Teobaldos abgeschnittenem Kopf verklärte - welcher nun aus einer Wandnische herabblickte-, starrten Horrabin und Dr. Romany angestrengt in den sargförmigen Bottich trübe leuchtenden Pauts, worin die Blutstropfen sich schwärzlich verfärbt und verfestigt hatten, auf eine mittlere Ebene abgesunken waren und
    nun anfingen, ein Netzwerk feiner roter Fühler zu entsenden, die sich untereinander verbanden.
    »In zwölf Stunden wird er als Mensch kenntlich sein«, sagte Dr. Romany. Er stand so still, daß seine gefederten Schuhsohlen seinem Körper nicht die geringste wippende Bewegung mitteilten.
    Und in vierundzwanzig Stunden sollte er imstande sein, zu uns zu sprechen.«
    Horrabin schob seine Stelzen unter den Körper. »Ein echter britischer Lord«, sagte er nachdenklich. »Die Rattenburg hat eine Anzahl ausgezeichneter Besucher gekannt, aber der junge Byron hier wird der erste Angehörige des Reichsadels sein.« Selbst seine dick aufgetragene Gesichtsbemalung vermochte die höhnische Grimasse nicht zu übertünchen.
    Dr. Romany lächelte. »Ich habe Sie in gehobene Kreise eingeführt.«
    Nach einer Weile sagte der Clown in winselndem Ton: »Ist es wirklich unvermeidbar, daß wir morgen nacht um den Schlaf gebracht werden? Ich muß immer zehn Stunden in der Hängematte haben, oder ich bekomme furchtbare Rückenschmerzen, und seit mein verdammter Vater...« - er winkte zu dem mumifizierten Kopf in der Wandnische hinauf - »mich zu

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