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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Gewalt zum Eingang hinein. »Bier für mich und meinen Freund«, sagte er zu der Schankkellnerin, die mit großen Augen zu ihm aufsah. Die zerbissene Zunge machte ihm noch Schwierigkeiten, aber wenn er sich konzentrierte, war seine Aussprache deutlich genug. Er führte den schwächlich widerstrebenden jungen Mann zu einem Tisch und drückte ihn auf einen Stuhl, dann legte er eine Hand auf die Stuhllehne, so daß sein muskulöser Arm den Fluchtweg versperrte. »Also, junger Freund«, polterte Doyle streng, »was ist los mit Ihnen? Sind Sie nicht neugierig zu erfahren, woher ich diese Zeilen weiß?«
    »Ich... ich habe eine Krankheit, ein Gehirnfieber«, sagte Byron nervös, und sein Lächeln gewann in Verbindung mit seiner offensichtlichen Unruhe einen schwachsinnigen Ausdruck. »Ich... muß gehen, bitte, ich... habe eine Krankheit...« Die Worte schienen einzeln aus ihm herausgerissen, als ob sie an einer langen Schnur festgeknotet wären, die Doyle ihm aus der Kehle zog.
    Auf einmal wurde Doyle klar, wo er dieses hirnlose Lächeln früher schon gesehen hatte - in den Gesichtern von Sektenanhängern, die auf Flughäfen und vor Restaurants zu betteln pflegten. Der Teufel soll mich zerreißen, dachte er - Byron benimmt sich, als ob er programmiert wäre.
    »Was halten Sie von diesem Wetter, das wir haben?« fragte Doyle.
    »Bitte, ich muß gehen. Meine Krankheit...«
    »Welchen Tag haben wir eigentlich?«
    »... ein Gehirnfieber, das bisweilen meinen Geist verdüstert...«
    »Wie heißen Sie?«
    Der junge Mann zwinkerte ihn an. »Lord Byron, sechster Baron von Rochdale. Darf ich Sie zu einem Schoppen einladen?«
    Doyle ließ sich auf den anderen Stuhl niedersinken. »Ja, danke«, sagte er. »Da kommt schon das Mädchen mit dem Bier.«
    Byron zog ein Goldstück aus der Tasche und zahlte für die Biere, rührte seins aber nicht an. »Falls Sie sich wundern sollten, warum ein Mitglied des Reichsadels...«
    »›Denn durch der Sünde langes Labyrinth war er gelaufen««, unterbrach ihn Doyle, »›noch dachte er an Buße, wenn er unrecht tat.‹ - wer hat das geschrieben?«
    Wieder verschwand Byrons Lächeln, und er stieß seinen Stuhl zurück, aber Doyle versperrte ihm wieder den Ausgang.
    »Wer hat das geschrieben?« wiederholte er.
    »Ah...« Schweißperlen erschienen auf Byrons blasser Stirn, und als er endlich antwortete, geschah es im Flüsterton. »Ich... ich habe es geschrieben.«
    »Wann?«
    »Letztes Jahr. In Tepelena.«
    »Wie lange sind Sie schon in England?«
    »Ich weiß nicht - vier Tage? Ich glaube, ich bin krank gewesen...«
    »Wie sind Sie hierhergekommen?«
    »Wie ich hierher...«
    Doyle nickte mit dem zottigen Kopf. »Hierhergekommen sind. Mit einem Schiff? Welchem Schiff? Auf dem Landwege?«
    »Oh! Ja, richtig, ich kam zurück...« Byron runzelte die Stirn. »Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Sie können sich nicht erinnern? Kommt Ihnen das nicht merkwürdig vor, daß Sie das nicht wissen? Und wie erklären Sie sich, daß ich die Zeilen aus Ihrem Childe Harold weiß?«
    »Sie haben meine Dichtungen gelesen?« sagte Byron und sein unheimlich leeres Lächeln kehrte wieder. »Sie erfreuen mich. Mir aber erscheint dies alles heute kindisch; ich habe mich der Poesie der Tat verschrieben, ich verspreche mir mehr vom gutgezielten Schwertstreich als vom gutgewählten Wort. Mein Ziel ist es, den Schlag zu führen, der...«
    »Hören Sie auf!« sagte Doyle.
    »... Ketten zerschlagen wird, die uns...«
    »Lassen Sie das! Sehen Sie, ich habe nicht viel Zeit, und mein Verstand läuft auch nicht auf allen Zylindern, aber Ihre Anwesenheit hier - ich muß wissen, was Sie hier tun. Ich muß vieles wissen...« Seine Stimme erstarb in einem zerstreuten Flüstern, als er sein Bierglas hob. »Ob dies das echte 1810 ist, oder ein falsches...«
    Byron starrte ihn eine kleine Weile an, dann griff er unsicher zum anderen Bierglas und hob es halb zum Mund. »Er sagte mir, ich solle nicht trinken«, sagte er.
    »Zum Teufel mit ihm!« murmelte Doyle und wischte sich Schaum vom buschigen Schnurrbart. »Sie lassen sich vorschreiben, ob und wann Sie ein Bier trinken dürfen?«
    »Zur... Hölle mit ihm!« pflichtete ihm Byron bei, obwohl das Sprechen ihm einige Mühe bereitete. Er tat einen langen, tiefen Zug, und als er das Glas absetzte, schien sein Blick konzentrierter als zuvor. »Zur Hölle mit ihm!«
    »Wer ist er?« fragte Doyle.
    »Wer?«
    »Verdammt, der Mann, der Sie programmiert hat - verzeihen Sie, der Sie aufgezäumt,

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