Die Tore zu Anubis Reich
gegen den sanft sich wiegenden Rumpf: der Wind war eingeschlafen.
»... irgendwo ins Trockendock bringen«, sagte eine barsche Männerstimme, »aber nicht in diesem gottverlassenen Nest.« Eine andere Stimme sagte etwas über Griechenland. »Gewiß, wenn wir es bis Griechenland schaffen. Es leckt aus allen Fugen, fast alle Segel sind zerfetzt, die Masten...«
Die zweite Stimme, die Doyle jetzt als diejenige erkannte, die derjenigen Dr. Romany s fast gleich war, unterbrach in einem Ton kurzangebundener Ungeduld, die der anderen das Wort abschnitt.
Doyle versuchte sich aufzusetzen, konnte sich aber nur auf die andere Seite wälzen, denn er war mit dicken, nach Teer riechenden Stricken gebunden. Sie riskierten nichts, dachte er bei sich; dann lächelte er in sich hinein, denn er merkte, daß der spitze Gegenstand, der in seine Kniekehle stach, sein behelfsmäßiger hölzerner Dolch war, übersehen von denen, die ihn gebunden hatten.
»Wir haben ihn keinen Augenblick zu früh gebunden«, sagte die rauhe Stimme. »Hat eine gesunde Konstitution, der Satanskerl; ich hatte geglaubt, die Droge würde ihn mindestens bis zum Nachmittag schlafen lassen.«
Obwohl es den Schmerz in seinen Schläfen verstärkte, hob Doyle den Kopf und sah sich um. Zwei Männer standen an der Reling und blickten zu ihm her; einer schien eine Version des früheren Dr. Romany zu sein - das mußte demnach Romanelli sein, das Original -, und der andere war offenbar der Schiffskapitän.
Romanelli war barfuß, und als er Doyle mit offenen Augen sah, tappte er herüber und hockte bei ihm nieder. »Guten Morgen«, sagte er. »Ich möchte Ihnen Fragen stellen, und wir werden wahrscheinlich niemanden treffen, der Englisch spricht, also werde ich den Knebel draußen lassen. Sollten Sie jedoch schreien oder Aufsehen erregen, können wir ihn anbringen und unter einem Burnus verbergen.«
Doyle ließ den Kopf auf die Decksplanken zurückfallen, schloß die Augen, und wartete, bis der pochende Schmerz in den Schläfen ein wenig nachließ. »Gut«, sagte er, blinzelte wieder in den leeren blauen Himmel jenseits der Spieren und Wanten und gerefften Segel. »Wir sind in Ägypten?«
Romanelli nickte. »Alexandria. Wir werden Sie an Land rudern, und dann geht es über Land zu dem Nilarm, der durch Rosette fließt, und von dort aus werden wir flußauf nach Kairo segeln. Genießen Sie die Aussichten.« Der Zauberer stand mit einem lauten Knacken der Kniegelenke und einer nur unvollkommen verborgenen schmerzlichen Grimasse auf. »Was ist, Leute?« rief er ungeduldig. »Ist das Boot zu Wasser gelassen? Dann schafft ihn hinein.«
Doyle wurde emporgehoben, auf die Reling gesetzt, und nachdem man einen Haken unter den Strick geschoben hatte, der unter seinen Armen durchlief, wurde er wie ein zusammengerollter Teppich in ein Ruderboot hinabgesenkt das sich unten im smaragdgrünen Wasser am Schiffsrumpf rieb. Ein Seemann im Boot faßte ihn bei den gebundenen Knöcheln und lenkte ihn in eine sitzende Position auf einer der Ruderbänke, während Romanelli eine Strickleiter herabstieg und, nachdem er eine Minute an ihrem Ende geschwungen, mit dem freien Fuß gefuchtelt und geflucht hatte, halb ins Boot fiel und halb rutschte. Der Seemann half ihm zu einer anderen Ruderbank, und dann kam der letzte Passagier wild baumelnd die Strickleiter herab - es war das Glück der Bettler von der Surreyseite persönlich, der von den Zeitläuften arg mitgenommene Dr. Romany, dessen Schuhe mit zwei großen Metallstücken beschwert waren. Nachdem er diese grinsende, augenzwinkernde Vogelscheuche auf den schmalen Bug gesetzt hatte, wo sie wie ein abgerichteter Kormoran kauerte, wischte sich der Seemann die Hände ab und setzte sich Romanelli und Doyle gegenüber auf seinen Platz, stieß das Boot mit dem Ruder ab und legte sich in die Riemen.
Das Boot hatte sich kaum in Bewegung gesetzt, als Doyle das Gleichgewicht verlor und seitwärts gegen das Strombord sank. Aus dieser Lage sah er den Schiffsrumpf vorübergleiten und schließlich, als sie den hohen Bogen des Bugs umrundeten, einer Aussicht von Alexandria Platz machen, das sich eine halbe Meile entfernt jenseits des glitzernden Wassers ausbreitete.
Die Stadt war eine Enttäuschung für ihn - er hatte die labyrinthische orientalische Stadt erwartet, über die Lawrence Durrell geschrieben hatte, doch alles, was er sah, war eine nicht sehr große Ansammlung baufälliger weißgestrichener Würfelhäuser, die in der Sonne buken. Andere
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