Die Tore zu Anubis Reich
lächelte. »Ich weiß vieles. Wann werden wir eintreffen?«
Romany starrte ihn eine kleine Weile finster an, dann schien er seinen Zorn zu vergessen und sagte beinahe vertraulich: »In einer Woche oder zehn Tagen, wenn es der Mannschaft hier auf dem Achterdeck gelingt die Shellengery zu wecken - Elementargeister des Windes, die schon Aeolus dem Odysseus zu Hilfe schickte.«
Doyle versuchte ohne Erfolg durch den Nebel in die Richtung des Hecks zu spähen. »Ähneln sie den Feuerriesen, die in Doktor... ich meine, in Ihrem Lager tobten?«
»Ja, ja!« rief der Alte und applaudierte mit seinen bloßen Füßen. »Sehr gut. Ja, die beiden Rassen sind Vettern. Und es gibt noch weitere, die Wassergeister und die Erdgeister. Du solltest die letzteren sehen, riesige daherschreitende Felswände.«
Ein ohrenbetäubendes Kreischen zerriß die Luft und traf das Schiff mit einem spürbaren Anprall, so daß jede lose Planke zu vibrieren begann; Doyle sprang vom Fenster zurück, unwillkürlich von der Vorstellung überwältigt, daß eine gigantische Düsenmaschine, eine 747 oder etwas ähnliches, aus irgendeinem Grund mit kreischenden Triebwerken in der Nähe eine Notwasserung versuchte, möglicherweise direkt auf dem Schiff; dann wurde er wieder gegen die Tür geschleudert, als eine Windbö wie eine massive Wand von achtern zuschlug, alle Segel mit lautem Knall blähte und mehrere wie mit Titanenfäusten zum Platzen brachte. Der Schiffsbug neigte sich tief, dann kam er wieder hoch, und das Schiff nahm mächtig Fahrt auf.
In den wenigen Sekunden, bevor das Schiff und alles auf ihm sich der neuen Geschwindigkeit anpaßte, schien die Heckwand der Kabine, die gegen Doyles Rücken drückte, mehr Boden als Wand zu sein, und als sein Sargkasten ins Rutschen kam und auf ihn zu prallen drohte, hob er nur die Beine vom Deck und ließ die Kiste gegen die Wand knallen, wo seine Knöchel gewesen waren. Dann erreichte die Schwerkraft wieder ihren Normalzustand, und er fiel vornüber und landete auf allen vieren in der Kiste. Im kreischenden Wind hörte er den ersten Brecher auf das Deck schlagen.
Er krabbelte aus der Kiste, hielt sich an den Gitterstangen fest und blinzelte in den steifen, eiskalten Wind, hielt Ausschau nach den Romany-Resten, aber die seltsame Kreatur war fort. Er hoffte, der alte Teufel sei über Bord geweht worden, doch war nicht anzunehmen, daß er sinken würde, sondern eher wie ein großer Käfer dem Schiff hinterdrein ruderte. Das Schiff raste dahin wie ein Bus über einen Sturzacker, doch gelang es Doyle, sich lange genug am Fenster festzuhalten, um ein paar Gestalten auszumachen, die auf dem Achterdeck kauerten und allem Anschein nach versuchten, den Niedergang zu erreichen. Wenigstens löste der Sturmwind den Nebel auf. Er ließ die Gitterstäbe los und rutschte an der Wand herab, bis er saß, dann rieb er sich die tränenden Augen.
Als die Zeit verging und kein Nachlassen des Sturmes, der Kälte und der heftigen Schiffsbewegungen zu erkennen war, verspürte Doyle Dankbarkeit, daß er in Benners Körper steckte - sein eigener war leicht seekrank geworden -, obwohl er selbst in diesem froh war, daß er nicht mehr dazu gekommen war, von dem Hummersalat zu essen, den der arme Byron gekauft hatte.
Als die Mittagszeit gekommen sein mußte, wurde ihm etwas durch die Gitterstäbe gestoßen: ein in Papier gewickeltes Bündel, das auf den Boden fiel und gepökeltes Schweinefleisch und hartes Schwarzbrot enthielt, und eine Deckelkanne, die nur wenige Zoll herabfiel und dann an einer kleinen Kette baumelte; sie enthielt Dünnbier. Nachdem er im Schwan vor der Mahlzeit überwältigt worden war und auch vordem seit dem Frühstück nichts gegessen hatte, was sicherlich noch einmal so lang her war wie die in Gefangenschaft verbrachte Zeit, verzehrte er alles mit einem wahren Heißhunger und leckte danach sogar das Einwickelpapier ab.
Ungefähr sechs Stunden später wiederholte sich der Vorgang, und auch diesmal aß er alles auf. Bald danach begann es zu dunkeln, während der Wind und das Stampfen und Schlingern des dahinjagenden Schiffes nicht im mindesten nachließ, und er machte sich gerade Gedanken, wie er schlafen sollte, als ein paar Decken durch die Gitterstäbe gestopft wurden.
»Danke!« rief er. »Und könnte ich noch ein Bier haben?«
In seinem engen Raum herrschte keine vollständige Dunkelheit, und so gelang es ihm, in seinem Sarg ein halbwegs bequemes Bett zu improvisieren; und als er im Begriff war,
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