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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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hineinzusteigen, hörte er zu seiner Überraschung das Rasseln der Kette, als die Bierkanne hochgezogen wurde. Das Eingießen des Bieres selbst war im heulenden Wind und den Schlägen der Brecher gegen die Bordwände und auf das Deck unhörbar, doch dann fiel die volle Kanne wieder an der Decke herab und schlug gegen die Wand.
    Er stand auf und eilte hin, und als er breitbeinig an der Wand stand und versuchte, das schwappende Bier zu trinken, ohne etwas davon zu verschütten, fragte er sich, warum er über seine Lage als Gefangener, den Folter und Tod erwarteten, nicht allzu besorgt war. Zum Teil mochte es an der gedankenlosen Zuversicht liegen, die ihn niemals ganz verlassen hatte, seit er sich in einem Körper wiedergefunden hatte, der soviel besser war als seine altvertraute Leibeshülle; und der Rest seines hartnäckigen Optimismus beruhte darauf, daß er, wie er nun bereitwillig einräumte, William Ashbless war, der erst 1846 sterben würde. Immerhin riet er sich in diesem Punkt zur Vorsicht. Zwar konnte er ziemlich sicher sein, daß er überleben würde, doch war nicht auszuschließen, daß Ashbless Torturen der schlimmsten Sorte unterworfen würde.
    Trotz seiner Ungewissen Aussichten lächelte er, als er nach einer bequemen Lage suchte, denn er dachte an Elizabeth Jacqueline Tichy, die er irgendwie nächstes Jahr heiraten würde - er hatte sie auf den Porträts, die er gesehen hatte, immer hübsch gefunden.
    Die Reise - während der die stürmischen Winde nicht ein einziges Mal nachließen, so daß die schwankenden Seeleute, die Doyle durch sein Fenster sehen konnte, nach ein paar Tagen eine halb betäubte Gleichgültigkeit gegen sie entwickelt zu haben schienen - dauerte fünfzehn Tage, und in dieser Zeit sah Doyle weder Romanelli noch den schwerelosen Überrest von Dr. Romany. Bis ein alter und übermäßig belasteter Balken in der Decke seines Verlieses am vierten Tag einen langen Riß bekam, hatte der Gefangene nichts getan als gegessen, geschlafen, aus dem Fenster geschaut und versucht, sich der allzu wenig bekannten Fakten von Ashbless' Aufenthalt in Ägypten zu erinnern; nachdem der Balken den Sprung bekommen hatte, verbrachte er seine Zeit damit, einen drei Schuh langen Splitter herauszubrechen und mit Zähnen und Nägeln ein fußlanges Stück davon zu einer dolchartigen Waffe zuzurichten. Er dachte daran, die Bierkanne von der Kette zu reißen und platt zu treten, um ein Werkzeug daraus zu machen, doch hätte ihn dies nicht nur für den Rest der Reise um sein Bier gebracht, sondern ihm nach der Ankunft eine gründliche Durchsuchung eingetragen.
    Nur einmal war etwas annähernd so Beunruhigendes wie die Ankunft der Shellengery geschehen. Am Samstag, dem elften Tag der Reise, war er gegen Mitternacht aufgeschreckt und hatte geglaubt, im immerwährenden Kreischen und Heulen des Windes ein dünnes Winseln zu hören, und hatte versucht, aus dem Fenster zu sehen, was ungefähr so schwierig war wie der Versuch, ohne Schutzbrille mit hundert Stundenkilometern Motorrad zu fahren und dabei etwas zu sehen. Nach zehn Minuten hatte er sich wieder schlafen gelegt, mehr als halb überzeugt, daß das schwarze Boot, das auszumachen er sich eingebildet hatte, und das nur sichtbar gewesen war, weil es von einem viel tieferen Schwarz als die nächtliche See gewesen war, in Wirklichkeit eine optische Täuschung gewesen sein mußte, verursacht durch die Überanstrengung seiner Augen in der ›gischterfüllten Dunkelheit. Schließlich, wie sollte sich ein Boot in der hochgehenden See dort draußen halten können?

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11. KAPITEL
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Nichts könnte gräßlicher sein: sein Kopf und seine Schultern waren sichtbar und wandten sich mit einer feierlichen und zugleich furchtbaren Bewegung bald zur einen, bald zur anderen Seite, wie unter dem Eindruck eines schrecklichen Geheimnisses der Tiefe, das zu enthüllen es aus seinem wäßrigen Grab emporgekommen war. Solche Anblicke wurden im weiteren Verlauf häufig; kaum ein Tag verging, ohne daß die Toten der Betrachtung der Lebenden vorgeführt wurden, bis sie endlich keine Beachtung mehr fanden.
    E. D. CLARKE

    Am Morgen des zehnten Oktober erwachte Doyle benebelt und merkte, daß er draußen auf dem Deck war... und daß die Planken unter seiner bärtigen Wange heiß waren, und als er die Augen öffnete, zwang ihn heller Sonnenschein, sie sofort wieder zu schließen, und dann wurde ihm bewußt, daß er Stimmen hören konnte, das Knarren von Tauwerk, das Klatschen kleiner Wellen

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