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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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gedrückt, zum Ufer.
    »Limehouse? Dann bin ich viel weiter abgetrieben, als ich dachte.«
    Das Wasser reichte Fennery nur noch bis zu den Knien, und er konnte den Beutel halten und gleichzeitig den ramponierten Schwimmer stützen, der wie betrunken schwankte.
    »Sie sind ein Athlet, Sir?« fragte der Junge zweifelnd, denn die Schulter, die er stützte, fühlte sich mager und knochig an.
    »Richtig. Ich bin Adelbert Chinnie.«
    »Was? Doch nicht der Bewundernswerte Chinnie, der Degenfechter?«
    »Der bin ich.«
    »Dann habe ich Sie schon mal in Covent Garden gesehen, als Sie gegen Torres den Schrecklichen kämpften«, sagte der Junge aufgeregt. Sie hatten die Stufen erreicht und stiegen langsam hinauf.
    »Das war vorletzten Sommer, ja. Und fast hätte er mich noch geschlagen.«
    Als sie mühsam zur Straßenebene hinaufgelangt waren, gingen sie ein Dutzend Schritte auf einem Schlackenweg im Schatten einer Ziegelmauer, bogen dann um die Ecke und überquerten einen mit Unrat übersäten, fabrikmäßig aussehenden Hof, der durch ein paar Laternen, die an der Wand eines Lagerhauses hingen, spärlich erhellt wurde.
    Fennery war froh, in dieser Nachbarschaft so eindrucksvoll eskortiert zu sein, denn die Gegend zählte zu den gefährlichsten in London. Er blickte zu seinem Begleiter auf - und blieb stehen.
    »Sie sind ein Lügner!« zischte er, auf einmal ängstlich, zu laut zu sprechen.
    Der Mann schien kaum imstande, sich auf den Beinen zu halten. »Was?« fragte er zerstreut.
    »Sie sind nicht der Bewundernswerte Chinnie!«
    »Selbstverständlich bin ich es. Was, zum Teufel, hast du denn gedacht? Allerdings, irgendwas scheint mit mir nicht zu stimmen. Mein ganzer Körper fühlt sich anders an, als ob...«
    »Chinnie ist größer als Sie, und jünger, und kräftiger. Sie sind eine Art Penner.«
    Der Mann schmunzelte schwächlich. »Du kleiner Straßenlümmel, du. Wenn es je einen Anlaß gegeben hat, der mir das Recht gibt, wie ein Penner auszusehen, dann ist es dieser. Wie, meinst du, würdest du aussehen, nachdem du ohne Atem vom Grund des Flusses hochgekommen bist? Und ich bin größer - wenn ich Schuhe anhabe.«
    Der Junge schüttelte ungläubig den Kopf. »Dann sind Sie seit dem vorletzten Sommer aber ziemlich heruntergekommen. Aber nun muß ich gehen, denn ich wohne gleich da drüben; Sie brauchen nur diesem Weg zu folgen, dann kommen Sie zur Ratcliffe- Landstraße. Dort werden Sie schon eine Droschke finden.«
    »Danke, Junge.« Der Mann ging schwankend in die angezeigte Richtung.
    »Passen Sie auf sich auf, ja!« rief der Junge. »Und danke für die Hilfe mit dem Beutel!« Seine bloßen Füße tappten in die Dunkelheit davon.
    »Keine Ursache«, murmelte der Mann. Was war los mit ihm? Und was war wirklich geschehen? Nun, da er Zeit gehabt hatte, zu Atem zu kommen und das Problem zu überdenken, ergab die Idee von der Explosion keinen Sinn. War er auf dem Heimweg Wegelagerern in die Hände gefallen und in den Fluß geworfen worden, und hatte der Schock die Erinnerung an alles, was seit der Partie bei Angelo geschehen war, ausgelöscht? Aber nein, er hatte Angelos Fechtboden niemals vor zehn verlassen, und der Westhimmel war noch nicht einmal ganz dunkel.
    Als er die Ecke des Lagerhauses erreichte, bemerkte er ein Fenster, das knapp unterhalb der Laterne in die Ziegelwand eingesetzt war, und im Vorbeigehen blickte er hinein... dann machte er halt, kehrte um und spähte angestrengt in die Scheibe.
    Er hob eine Hand zum Gesicht und war entsetzt, als er die gespiegelte Gestalt dasselbe tun sah, denn sie gehörte nicht ihm. Das Gesicht war nicht sein Gesicht.
    Er sprang zurück und blickte an sich hinab. Nein, es war ihm vorher nicht aufgefallen, weil nasse Kleider an einem dunklen Abend sehr ähnlich aussahen, aber diese Jacke und Hose hatten niemals Adelbert Chinnie gehört.
    In seiner Verstörtheit war er drauf und dran, die Fingernägel in seine Gesichtshaut zu bohren und dieses Gesicht abzuziehen; und dann kam ihm der Gedanke, daß er nicht der Bewundernswerte Chinnie war, daß er es nie gewesen war, sondern bloß ein - weiß Gott was, offenbar ein Bettler, der es geträumt hatte.
    Er zwang sich, noch einmal zum Fenster zurückzukehren und wieder hineinzusehen. Das Gesicht, das ihm angstvoll entgegenblickte, war mager, schlaff und tief gefurcht, mit einem Netzwerk von Runzeln um die Augen, wie er bemerkte, als er den Kopf zurücklegte, und obwohl das dichte Gewirr der Haare triefend naß war konnte er viel Grau darin

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