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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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ungeschützte tiefe Flanke.
    Angelo lächelte, als die vorausgesehene Finte kam - dann runzelte er die Stirn, denn die geschützte Spitze hatte dort in der Sexte gezaudert. Der Gegner parierte mit der gewohnten Quarte, dann bemerkte er, daß Chinnies Klinge bewegungslos war, stieß sie in einer blitzschnellen Bindung aufwärts, die seine eigene Spitze korkenzieherartig gegen Chinnies segeltuchgeschützten Magen trieb.
    Angelo stieß den angehaltenen Atem mit einem geflüsterten Fluch aus; dann wankte der Bewundernswerte Chinie rückwärts und fiel beinahe um und mehrere Zuschauer eilten hinzu, ihn zu stützen. Chinnies Gegner nahm seine Schutzmaske ab, ließ sie und den Degen auf den Hartholzboden fallen und rief: »Mein Gott, hab ich dich verletzt?«
    Der andere nahm seine Maske ab, richtete sich auf und schüttelte den Kopf, als müsse er eine Benommenheit abwehren. »Nein, nein«, sagte er heiser. »Nur ein bißchen außer Atem. Wird gleich wieder gut sein. Das macht die veränderte Haltung.«
    Angelo hob die grauen Brauen. In drei Jahren konzentrierten Unterrichts war dies das erstemal, daß er Chinnie die en guard- Position als etwas Besonderes bezeichnen hörte.
    »Nun, wir werden einen Punkt, der erzielt wurde, als du unachtsam warst, jedenfalls nicht zählen«, erklärte Chinnies Gegner. »Wenn du bereit bist, können wir die Partie beim Stand Null zu Null wiederaufnehmen.«
    Obwohl er fröhlich lächelte, schüttelte Chinnie den Kopf. »Nein«, sagte er. »Später. Jetzt brauche ich frische Luft.«
    Der alte Richard Sheridan half ihm zur Tür, und Angelo begleitete die beiden, während der Rest der Gesellschaft sich wieder der gewohnten Routine zuwandte: Schutzmasken und Degen wurden aufgenommen, und zwei Paare gingen auf den entgegengesetzten Hälften der am Boden markierten Fechtbahnen in die Ausgangspositionen. »Hoffentlich fehlt ihm nichts«, murmelte jemand.
    Draußen im Vorraum winkte Chinnie beruhigend ab, während im Saal das Klingen der aufeinanderschlagenden Waffen und die schnellen Tritte der Kämpfer laut wurden. »Ich bin gleich wieder da«, sagte er. Doch als sie widerwillig in den Fechtsaal zurückgekehrt waren, eilte Chinnie die Treppe hinab zur Straßentür, riß sie auf und lief die Bond Street hinunter.
    Als er Piccadilly erreichte, verlangsamte er seinen Lauf zu einem Gehen, sog die kühle Herbstluft tief in die Lungen ein und war längst wieder zu Atem gekommen, als er am Strand nach rechts zum Fluß blickte. »Wie geht's dir, Chinnie, mein Junge? Kalt, nicht wahr?« flüsterte er. Ein Fremder auf dem Bürgersteig ging auf ihn zu, als hätte er ihn erkannt, schwenkte dann aber verwirrt ab, als Chinnie in ein irres Kichern ausbrach und ein paar schnelle, wenngleich ungeübte Tanzschritte auf das Pflaster legte.
    Den ganzen Weg die Fleet Street hinunter nach Cheapside murmelte er vor sich hin. »Hah!« rief er einmal und begleitete den Ausruf mit einem Luftsprung. »Der ist so gut wie Benners. Besser! Ich weiß nicht, warum ich vorher nie darauf gekommen bin, mich im West End zu bedienen.«

    Der erste Teil des Traums war frei von Schrecken, und Darrow erinnerte sich immer erst beim Aufwachen, daß er ihn schon viele Male geträumt hatte.
    Der Nebel war so dicht, daß er nicht weiter als ein paar Schritte sehen konnte, und die feuchten schwarzen Ziegelmauern zu beiden Seiten waren nur sichtbar, weil sie so klaustrophobisch nahe beisammen standen. In der Gasse war es ganz still, nur ein unregelmäßiges klopfendes Geräusch drang irgendwo von oben durch den Nebel herab, als ob ein unbefestigter Fensterladen vom Wind gegen die Wand geschlagen würde.
    Er hatte einen Abkürzungsweg genommen, der ihn zur Leadenhall Street hätte führen sollen, sich dann aber in diesem Labyrinth von Höfen und Gassen und gewundenen engen Straßen verlaufen, bis ihm schien, daß er seit Stunden darin unterwegs war. Bisher war er noch keiner Menschenseele begegnet, nun aber machte er halt, weil er im trüben Halbdunkel voraus ein leises Husten gehört hatte.
    »Hallo«, sagte er und schämte sich gleich darauf der Schüchternheit seines Tons. »He da!« fuhr er energischer fort. »Vielleicht können Sie mir helfen, mich zurechtzufinden.«
    Er hörte schleppende Schritte und sah eine dunkle Gestalt aus der Nebelwand hervorkommen; dann war sie ihm nahe genug, daß er das Gesicht sehen konnte - und es war Brendan Doyle.
    Eine Hand packte Darrows Schulter, und im nächsten Augenblick saß er bolzengerade in seinem

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