Die Tore zu Anubis Reich
Doyle.«
Jacky runzelte zweifelnd die Stirn. »Verzeihen Sie, Sir, wenn ich mich geirrt haben sollte - aber haben Sie nicht eine Messernarbe, die vom Schlüsselbein über die Brust abwärts führt?«
Die Reaktion des Mannes war sonderbar. »Augenblick!« keuchte er, dann drückte er eine Hand gegen seine Brust. »Du kennst diesen Mann?«
»Sie meinen... Sie?« fragte Jacky ungewiß. »Ja. Was ist, haben Sie das Gedächtnis verloren?«
»Wer ist er?«
»Er ist... Sie sind Brendan Doyle, ein... ehemaliges Mitglied von Kopenhagen-Jacks Bettlergilde. Wieso, für wen halten Sie sich?«
Der Mann musterte Jacky aufmerksam. »Ich bin Adelbert Chinnie.«
»Was, der Degenfechter? Aber der ist viel größer, und jünger.«
»Bis vor zwei Monaten war ich größer und jünger.« Er fixierte Jacky mit einem strengen Blick. »Ist dein Doyle vielleicht ein Zauberer?«
Jacky hatte den Kopf des Mannes angestarrt und sagte nun, etwas unsicher: »Schauen Sie Ihre Schuhe an!«
Der Mann tat es, blickte jedoch wieder auf, als er ein Keuchen hörte. Der junge Bursche war blaß geworden und schien aus irgendeinem Grund den Tränen nahe. »Mein Gott«, flüsterte Jacky. »Sie sind nicht mehr kahl.«
Nun war der Mann gründlich verwirrt. »Ah... nein... wieso?«
»Ach, Brendan...« Ein paar Tränen rollten über Jackys von der Kälte gerötete Wangen. »Du armer unschuldiger Tropf, dein Freund Ashbless kam zu spät.«
»Was?«
»Ich habe nicht Sie gemeint«, sagte Jacky und schnupfte. Sie wischte sich das Gesicht mit dem Ende ihres Schals. »Ich nehme an, Sie sind wirklich der Bewundernswerte Chinnie.«
»Ja, der bin ich - oder war es. Du findest das... glaubhaft?«
»Durchaus. Hören Sie, wir müssen zusammenkommen und Erfahrungen austauschen. Haben Sie Zeit, irgendwo auf ein Glas einzukehren?«
»Sobald ich dieses Paket zu meinem Chef gebracht habe, kann ich Pause machen. Es ist gleich um die Ecke, Malks Bäckerei in der St. Martins Lane. Komm mit!«
Jacky trottete neben Chinnie her, der seine Übungen wieder aufgenommen hatte. Sie bogen nach links in die St. Martins Lane und hatten die Bäckerei bald erreicht. Chinnie bat Jacky, auf ihn zu warten, dann drängte er sich durch die Gruppe kleiner Jungen, die, vom Duft des warmen Plum Puddings angelockt, vor dem Eingang und den Schaufenstern standen, und verschwand im Innern.
Kurz darauf kam er wieder heraus. »Hier unten in der Kyler Lane gibt es ein Gasthaus, wo ich öfters einkehre und einen Schoppen trinke. Nette Leute, nur halten Sie mich für verdreht.«
»Ah, es ist der Bewundernswerte!« sagte der beschürzte Wirt fröhlich, als sie die Tür aufstießen und ins schummrige Licht der Gaststube traten. »Mit seinem Freund Gentleman Jackson, nehme ich an.«
»Zwei Schoppen Porter, Samuel«, sagte Chinnie und führte Jacky zu einem Tisch im rückwärtigen Teil der Gaststube. »Ich habe mich hier mal betrunken«, murmelte er, »und war dumm genug, ihnen mein Geheimnis zu verraten.«
Als die Krüge mit dunklem Bier serviert waren und sie davon genippt hatten, fragte Jacky: »Wann - und wie - geschah der Körpertausch?«
»Wann, das war ein Sonntag vor zwei Monaten - der vierzehnte Oktober. Und wie...« Er trank von seinem Bier. »Nun, ich war bei Angelo fechten, und gerade als ich im Begriff war, eine besonders schlaue Finte mit nachfolgendem Angriff vorzubereiten, fand ich mich plötzlich am Grund der Themse, ohne Luft in der Lunge.«
Jacky lächelte bitter und nickte. »Ja, das ist seine Arbeitsweise. Wenn er Sie so zurückließ, brauchte er vorher nicht die Zunge zu zerkauen.« Sie blickte den Mann mit einigem Respekt an. »Sie müssen wirklich Chinnie sein - er hätte Sie niemals in dieser Lage zurückgelassen, wenn auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit für Ihr Überleben gesprochen hätte.«
Chinnie trank seinen Krug leer und winkte nach dem nächsten. »Um ein Haar hätte ich es auch nicht geschafft. Manchmal, wenn ich nachts in meinem Bett neben dem Backofen wach liege, denke ich mir, es wäre besser gewesen, wenn ich nicht wieder hochgekommen wäre.« Er faßte Jacky fest ins Auge. »Und nun redest du. Wer ist der Er, von dem du redest? Dein Freund, dieser Doyle? Steckt er in meinem richtigen Körper?«
»Nein, Doyle ist tot, fürchte ich. Er erhielt offenbar die gleiche Behandlung wie Sie, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß er vom Grund der Themse aufgetaucht sein könnte. Nein, es ist ein Magier, nehme ich an, der als Hundsgesicht-Joe bekannt ist.
Weitere Kostenlose Bücher