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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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stoßweise, als könnte sie nicht genug Luft in die Lunge bekommen. »Man kann die Müllfeuer riechen.«
    »Der Mann sagte, Schnauze halten«, ermahnte sie ihr Wächter und stieß die Pistolenmündung gegen den Schnurrbart. Sie blieb gehorsam still, da sie befürchtete, daß ein weiterer Stoß die Attrappe abreißen könnte.
    Endlich hielt die Droschke, und die zwei bewaffneten Strauchdiebe sprangen ab und öffneten die Schläge. »Raus!« sagte einer.
    Die drei Passagiere kamen herausgeklettert. Coleridge setzte sich prompt auf den Tritt unter dem Wagenschlag, hielt sich den Kopf und ächzte; augenscheinlich verschlimmerten sich die Kopfschmerzen. Ashbless blickte trübe zu dem riesigen, heruntergekommenen Gebäude auf, vor dem sie hielten.
    Ein Fachwerkbau aus verwitterten Balken und Ziegeln jeglicher Form und Größe, war das Haus auf allen Ebenen durch Anbauten, hölzerne Galerien und Abstützungen mit den dunklen Massen benachbarter Gebäude verbunden. Fenster verschiedener Größe durchbrachen die Fassade in so unregelmäßigen Abständen und Höhen, daß sie schlechterdings keinen Hinweis auf die Lage der Stockwerke geben konnten. Jacky starrte auf den nassen Schmutz zwischen ihren Stiefeln und atmete tief.
    Aus dem beleuchteten Eingang kam Len Carrington geeilt und überblickte die Szene. »Alles glatt gegangen?« fragte er den Kutscher, der noch auf dem Bock saß.
    »Jawohl. Wenn's erlaubt ist, fahre ich die Droschke zurück zur Fleet Street, bevor der echte Kutscher sie als gestohlen meldet.«
    »Richtig. Fahr zu!«
    Die Peitsche knallte, und die Droschke rollte vorwärts, denn zum Wenden war die Gasse nicht breit genug. Carrington musterte die Gefangenen. »Das ist unser Mann«, sagte er und wies auf Ashbless. »Und das ist... wie hieß er doch gleich, hab ihn eine Weile nicht gesehen... Jacky Snapp! Was er damit zu tun hat, will ich genau wissen. Aber wer ist der kranke alte Bastard?«
    Die Entführer zuckten die Achseln, also sagte Ashbless: »Er ist Samuel Taylor Coleridge, ein sehr berühmter Dichter, und wenn ihr ihn umbringt, werdet ihr mehr Ärger kriegen als ihr euch leisten könnt.«
    »Erzähl uns nicht, was wir...«,fing einer der Entführer an, aber Carrington brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
    »Schafft sie alle hinein!« sagte er. »Und schnell - es ist schon vorgekommen, daß die Gendarmen so tief ins Viertel vorgedrungen sind.«
    Die Gefangenen wurden mit vorgehaltener Waffe in das große Vorderzimmer geführt, und zum ersten Mal an diesem Abend spürte Ashbless die eisige Leere und verzweifelnde innere Qual wirklicher Furcht, denn Dr. Romanelli war da und ruhte in einer Art Rollstuhl, aus dem er ihn in zornigem Wiedererkennen anstarrte. »Bindet ihn«, krähte der Zauberer, »und schafft ihn hinunter ins Krankenhaus! Schnell!« Das Elmsfeuer flackerte wild und knisterte jedesmal, wenn er einen harten Konsonanten aussprach.
    Ashbless sprang den Mann zu seiner Rechten an und stieß ihm mit der ganzen Wucht und Kraft seines Körpers die Faust in die Kehle. Der Mann fiel hintenüber, und sein im Reflex ausgelöster Schuß zerstörte die Wanduhr. Ashbless hatte eben die Balance wiedergefunden und wollte herumfahren und Jacky und Coleridge mit sich reißen, als sein linkes Bein plötzlich unter ihm fortgerissen wurde und er zu Boden stürzte.
    Das Geschehen hörte auf, eine bewegte Mischung von Eindrücken zu sein, und er konnte nur eines nach dem anderen wahrnehmen: seine Hose hatte ein klaffendes, blutig nasses Loch im linken Knie; in seinen Ohren dröhnte der Nachhall eines zweiten Schusses; Blut und blutige Knochensplitter und Stoffetzen waren vor ihm auf Wand und Boden verspritzt; sein linkes Bein, das vor ihm ausgestreckt lag, war am Knie seitwärts abgeknickt.
    »Ich will trotzdem, daß ihr ihn bindet«, schnarrte Romanelli. »Und bindet ihm eine Aderpresse um den Schenkel - ich möchte, daß er noch eine Weile durchhält.«
    Ashbless verlor das Bewußtsein, als Carrington und der Schütze ihn unter den Armen packten und hochrissen.
    Drei Minuten später war der Raum leer bis auf Coleridge, der bleich und mit geschlossenen Augen in Horrabins Schaukel saß, und einen von Carringtons Leuten, einen rattengesichtigen jungen Mann namens Jenkin, der sich schämte, daß man ihn zum Wächter über solch einen harmlosen alten Mann gemacht hatte. Jenkin sah sich neugierig um, betrachtete die frische Blutlache und die zersplitterte Wanduhr, hob einige Knochensplitter und

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