Die Tore zu Anubis Reich
Doyle beschrieben hatte. Murray hatte nicht auf gut Glück dahergeredet, als er diesem Times -Journalisten gegenüber erklärt hatte, er habe Grund zu der Annahme, daß der umstrittene neue Dichter William Ashbless seiner Einladung Folge leisten werde.
Aber wie sollte sie an den Mann herankommen, mit ihm sprechen? Sie schuldete dem armen alten Brendan Doyle soviel, daß sie diesem seinem Freund die traurige Nachricht von seinem Tod überbringen mußte. Sie beschloß einfach zu warten, bis er herauskäme, und ihn dann abzufangen, bevor er eine Droschke besteigen konnte.
Obwohl Jacky, seit sie Dundee - und mit ihm HundsgesichtJoe - getötet hatte, kein Auge hatte zutun können und bereits zu halluzinieren begann, als ob ihre Träume es nicht erwarten könnten, über sie herzufallen, konnte sie keine Ruhe finden. Riesige Schatten schienen auf sie loszustürzen, aber nachdem sie zurückgeschreckt war, zeigte sich, daß es keine Bedrohung gegeben hatte; außerdem hörte sie ständig Geräusche... nicht die Geräusche vorbeirasselnder Wagen oder die Stimmen von Passanten, nicht einmal die Echos solcher gleichsam natürlichen Geräusche, sondern eine Art Dröhnen in der Luft, wie der Nachhall einer riesenhaften Eisentür, die am Himmel zugeschlagen worden war. Es hatte noch nicht angefangen, denn der Abend war kaum eine Stunde alt, aber sie war sich ihrer Übermüdung bewußt, daß sie in ein paar Stunden unter den Erscheinungen leiden und sich fragen würde, warum der Morgen noch nicht graute, und lange bevor der Morgen dann endlich käme, würde ihr Verstand unter dem Ansturm der täuschenden Sinneseindrücke die panische Überzeugung gewinnen, daß am Himmel wirklich etwas zugeschlagen war, und daß sie die Sonne nie wiedersehen sollte.
Sie hatte einmal das Magdalenen-Hospital für geisteskranke Frauen besucht, und danach hatte sie gelobt, sich lieber selbst das Leben zu nehmen, als dort eingesperrt zu sein, sollten die Optionen jemals so eng werden, daß sich kein anderer Ausweg böte.
Heute abend war sie ziemlich sicher, daß der Strom der Ereignisse sie unaufhaltsam auf diese Alternative zutrieb.
Je länger sie in ihrem dunklen Winkel kauerte, desto mehr verfestigte sich in ihr der Vorsatz, Ashbless die Nachricht von Doyles Tod zu überbringen und dann, nachdem sie diese letzte Pflicht erfüllt hätte, in die Mitte der Themse hinauszuschwimmen und ihre Lungen zu leeren und auf den Grund hinabzusinken.
Sie erschauerte bei dem Gedanken, daß damit ihre Befürchtungen subjektiv gerechtfertigt wären: für sie würde es keinen Sonnenaufgang mehr geben.
Soweit es die geschäftlichen Aspekte der Zusammenkunft betraf, waren Coleridge und Ashbless für Murray eine Enttäuschung. Als der Verleger zu dem Winkel in seiner Bibliothek schlenderte, wo die zwei ins Gespräch vertieft waren, und es ihm zunächst gelungen war, sich an der Konversation zu beteiligen und dann das Thema zu wechseln und über Vorschläge zur Veröffentlichung ihrer Werke zu sprechen, schienen beide nicht sehr begierig, darauf einzugehen; was Murray verwunderte, denn Coleridge lebte in finanziell völlig zerrütteten Verhältnissen, so daß seine Familie von der Wohltätigkeit mitleidiger Freunde abhängig war, und Ashbless war ein Neuling, der über die Aussicht, so rasch einen guten Verleger zu finden, hätte hocherfreut sein müssen.
»Eine Übersetzung von Goethes Faust?« sagte Coleridge zweifelnd. Als seine Aufmerksamkeit von dem Thema abgelenkt war, das er und Ashbless diskutiert hatten, verlor sich die beseelte Lebhaftigkeit aus seinen Zügen, und er sah wieder alt und krank aus. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Obwohl Goethe ein genialer Dichter ist, dessen Werke - insbesondere dieses Werk - zu übersetzen ein Vorzug und eine Herausforderung sein würde, fürchte ich, daß meine eigene Lebensphilosophie mit der seinigen so wenig übereinstimmt, daß ein derartiges Unternehmen uns beide... ah... kompromittieren würde. Ich habe viele Essays...«
»Ja«, sagte Murray, »wir werden einmal in Ruhe über die Veröffentlichung Ihrer Essays sprechen müssen. Aber was halten Sie, Mr. Ashbless, von der Idee, einen Band Ihrer Gedichte zu veröffentlichen?«
»Nun... ah....,«, sagte Ashbless. Du kannst nicht, Murray, dachte er hilflos, denn wie das Geschick es will, wird Ashbless' erstes Buch in diesem Mai bei Cawthorn erscheinen. Tut mir leid, aber das ist der unabänderliche Gang der Geschichte. »Im Augenblick«, sagte er, »sind die ›Zwölf
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