Die Tore zu Anubis Reich
Wein, Dungy!« rief ein anderer von den Herren dem Zwerg zu. »Vorwärts, schnell!«
Der Zwerg eilte in einen Tunnel davon, offensichtlich froh über die Gelegenheit, den Raum wenigstens für ein paar Minuten verlassen zu können. Die Herren zogen Tonpfeifen und Tabaksdosen hervor, und bald verbreitete sich ein Dunst von Opium- und Tabakrauch, zur Freude der Bettlerherren, die in ihren Hängematten hin und her schaukelten, um soviel vom Rauch wie möglich einzufangen.
Der Raum um die Tafel begann sich mit schäbig gekleideten Männern und Jungen zu füllen, die einander Grußworte zuriefen. Außerhalb ihres Kreises und von ihnen mit Bedacht ignoriert, hatten sich Gruppen von Männern zusammengefunden, die tief in Armut und körperliche wie geistige Verwahrlosung abgesunken waren. Sie kauerten in den dunklen Winkeln auf den Steinplatten, jeder trotz ihrer Nähe für sich allein, und murmelten und gestikulierten mehr aus Gewohnheit als aus irgendeinem Mitteilungsbedürfnis.
Der Zwerg kam wieder zum Vorschein, gebeugt und hinkend unter der Last eines weitmaschigen Sackes voller Flaschen. Er ließ die Bürde vorsichtig zu Boden und machte sich daran, die Korken zu ziehen. Aus einem der größeren Tunnels drang ein gleichmäßiges Klopfen wie von Holz auf Stein, und der Zwerg arbeitete schneller und schneller, als das Geräusch lauter und näher erklang.
»Wozu die Eile, Dungy?« fragte einer der Diebsherren, aufmerksam geworden. »Hast du Angst, dem Gastgeber zu begegnen?«
»Natürlich nicht, Sir«, schnaufte der alte Dungy, der schwitzend die letzten Korken zog. »Er will bloß, daß ich meine Arbeit prompt erledige.«
Das klopfende Geräusch hörte auf, nachdem es sehr laut geworden war, und zwei weißbemalte Hände erschienen und faßten die oberen Steine vom Bogen der Tunnelöffnung, einen Augenblick später gefolgt von einem bemalten Gesicht, das knapp unter dem Schlußstein nickte, zwölf Schuh über dem antiken Pflaster. Horrabin grinste in die Runde, und selbst die arroganten Diebsherrn blickten unbehaglich zur Seite. »Wieder säumig, Dungy?« quiekte der Clown fröhlich. »Die Tafel sollte inzwischen gedeckt sein.«
»J-ja, Sir«, sagte der alte Dungy und hätte vor Schreck beinahe eine Flasche fallengelassen. »Es wird einfach... einfach schwieriger, die Tafel zu decken, Sir. Meine alten Knochen...«
»... werden eines schönen Tages den Straßenkötern vorgeworfen werden«, beendete Horrabin den Satz, während er auf seinen Stelzen geschickt in die Halle stakte. Sein spitz zulaufender Hut und der bunte Überrock mit den hohen, zugespitzten Schultern verliehen der Szene etwas karnevalsmäßiges. »Meine um einiges jüngeren Knochen sind auch nicht in der besten Verfassung, was dich vielleicht interessieren wird.« Er hielt schwankend vor dem baumelnden Brustgeschirr. »Nimm meine Stelzen!« befahl er.
Dungy eilte herbei und hielt die Stelzen, und Horrabin steckte die Arme durch die Schultergurte, schnellte die Beine mit einem Zusammenklappen des Körpers hoch und durch die zwei unteren Schlaufen. Der Zwerg trug die Stelzen zur nächsten Wand und lehnte sie gegen das alte Ziegelmauerwerk. Der Clown baumelte ein gutes Stück über dem Boden an seinem Brustgeschirr.
»Ah, das ist besser«, seufzte Horrabin. »Ich glaube, schädliche Schwingungen beginnen nach ein paar Stunden die Stelzen aufwärtszuwandern. Bei naßkaltem Wetter natürlich schlimmer. Der Preis des Erfolgs.« Er gähnte, und ein großes rotes Loch erschien in der bemalten Oberfläche seines Gesichts. »Hui! Nun denn! Um an den versammelten Herrschaften gutzumachen, daß du dich mit ihrem Essen verspätet hast, würde es dir vielleicht gefallen, uns ein kleines Lied zu singen.«
Der Zwerg verzog schmerzlich das Gesicht. »Bitte, Sir - Anzug und Perücke sind unten in meiner Zelle. Es würde...«
»Kümmere dich heute abend nicht um die Requisiten«, sagte der Clown großzügig. »Wir bestehen nicht auf einem Zeremoniell. Heute abend kannst du ohne das Kostüm singen.« Er blickte zum halbdunklen Deckengewölbe auf. »Musik!«
Die in ihren Hängematten schaukelnden Bettlerherren zogen aus Stoffbeuteln, die an ihre Liegestätten gebunden waren, die verschiedensten Instrumente, von Sackpfeifen, Zinken und Maultrommeln bis hin zu einigen Fiedeln, und stimmten ein Lärmen an, das, wenn auch nicht musikalisch zu nennen, so doch wenigstens rhythmisch war. Das hallende Gewölbe steuerte den Kontrapunkt bei, und die um die Tafel am Boden
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