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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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kauernden zerlumpten Männer und Jungen gaben durch Händeklatschen den Takt an.
    »Macht dieser Idiotie ein Ende!« sprach eine neue Stimme in so tiefer Tonlage, daß sie durch das Getöse dröhnte. Musik und Händeklatschen gerieten ins Stocken und verstummten nach und nach, als die Versammlung den Neuankömmling bemerkte - einen sehr großen, kahlköpfigen Mann, der in einen Umhang gehüllt war. Er trat mit übertrieben federnden, geradezu hüpfenden Schritten in die Halle, als ginge er statt der Steinplatten über ein Trampolin.
    »Ah!« rief Horrabin, und zumindest seine Stimme drückte Freude aus; wie immer war es unmöglich, unter der Gesichtsbemalung sein Mienenspiel zu erkennen. »Unser wanderndes Oberhaupt! Nun, dies wird eine Versammlung sein, in welcher Euer Ehrenplatz nicht leer sein wird!«
    Der Neuankömmling nickte, ließ den Umhang mit einer Körperdrehung von der Schulter gleiten und warf ihn Dungy zu, der ihn auffing und dankbar die Gelegenheit nutzte, um damit hinauszueilen. Der Gast trat zu dem hohen Stuhl am Fußende der Tafel. Nun, da der Umhang abgelegt war, konnten alle die Federsohlen der Schuhe sehen, auf denen er auf und nieder hüpfte.
    »Herrschaften und Gemeine«, sagte Horrabin im Tonfall eines Zirkusdirektors, »ich habe die Ehre, unseren Oberlehnsherren, den Zigeunerkönig Dr. Romany vorzustellen!« Es gab ein paar halbherzige Hochrufe und Pfiffe. »Welche Angelegenheit veranlaßt Euch, uns mit Eurem Besuch zu beehren, Majestät?«
    Romany antwortete erst, als er auf den hohen Stuhl gestiegen war und mit einem Seufzer der Erleichterung seine gefederten Schuhe ausgezogen hatte. »Mehrere Angelegenheiten haben mich zu Ihrem Kloakenthron geführt, Horrabin«, sagte er. »Zum einen habe ich persönlich die Geldsendung dieses Monats gebracht - Goldsovereigns in Säcken zu je fünfzig Stück im Korridor dort hinten, noch warm von der Prägung.« Diese Neuigkeit entlockte der Versammlung einen Lärm aufrichtigerer Hochrufe. »Und einige neue Entwicklungen in der Angelegenheit der Vermißtensuche.« Er nahm ein Glas Rotwein an, das ihm einer der Diebsherren brachte. »Sie haben noch immer nicht den Mann gefunden, den sie Hundsgesicht-Joe nennen.«
    »Ein verdammter Werwolf ist gefährlich und schwierig zu finden, Mann«, rief jemand aus der Menge, und andere murmelten ihre Zustimmung.
    »Er ist kein Werwolf«, sagte Dr. Romany, ohne sich nach dem Rufer umzuwenden, »aber ich stimme darin zu, daß er sehr gefährlich ist. Deshalb habe ich die Belohnung so hoch angesetzt und Ihnen allen geraten, ihn lieber tot als lebendig zu mir zu bringen. Jedenfalls ist die Belohnung jetzt auf tausend Pfund in bar heraufgesetzt, und dazu kommt freie Passage auf einem meiner Handelsschiffe zu jedem Ort der Erde. Doch gibt es inzwischen einen weiteren Mann, den Sie für mich ausfindig machen sollen - und dieser muß lebendig und unversehrt gefangen werden. Die Belohnung für die Einbringung dieses Mannes wird zweitausend Pfund betragen, dazu eine Frau von jeder gewünschten Art, die an Zärtlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt, sowie natürlich freie Schiffspassage zu jedem beliebigen Ort.« Das Publikum geriet in Bewegung, allgemeines Gemurmel wurde laut, und selbst ein paar von den völlig verwahrlosten Gestalten, die sich nur die Stufen und Rampen heruntergeschleppt hatten, um beim traditionellen abschließenden Kampf um die Essensreste einen Bissen zu erbeuten, schienen Interesse zu zeigen. »Ich kenne dieses Mannes Namen nicht«, fuhr Dr. Romany fort, »aber er ist ungefähr fünfunddreißig Jahre alt, mit gelichtetem dunklen Haar, von bleicher Gesichtsfarbe und mit einem Fettansatz um die Mitte. Außerdem spricht er mit einer Art Kolonialakzent. Er ist mir gestern nacht auf einer Wiese am Chelsea Creek nahe Kensington abhanden gekommen. Er war sachkundig gefesselt, doch anscheinend...«
    Romany hielt inne, denn Horrabin hatte aufgeregt zu gestikulieren begonnen. »Ja, Horrabin?«
    »War er wie ein fliegender Händler gekleidet?« fragte der Clown.
    »Nicht, als er zuletzt gesehen wurde, aber wenn er durch das Wasser entkam, wie ich vermute, wird er sicherlich das Bedürfnis gehabt haben, die Kleider zu wechseln. Sie haben ihn gesehen? Wo, Mann, wann?«
    »Ich sah einen Mann wie denjenigen, den Ihr beschrieben habt, aber im geflickten Cordanzug eines Händlers, und er versuchte heute früh in Billingsgate Zwiebeln zu verkaufen, kurz bevor der Markt schloß. Er saß vor meinem Puppentheater, und

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