Die Tore zu Anubis Reich
jeder Seite des kleinen Tisches, und er wählte den der Tür näheren.
Nachdem er das Feuer zu seiner Zufriedenheit in Gang gebracht hatte, stand Jacky auf und trat an einen Schrank. »Das werde ich dir sagen, sobald du meine Fragen beantwortet hast.«
Diese herrische Antwort von einem jungen Burschen, der kaum so alt war wie die meisten seiner Studenten, verdroß Doyle; und seine Verärgerung wurde durch den Anblick der Flasche, die der junge Mann von einem Schrankregal genommen hatte, nur geringfügig gemildert.
Ein gedämpfter Lärm von Applaus und Pfiffen drang vom Versammlungssaal ein Stockwerk tiefer herauf, aber keiner der beiden nahm davon Notiz.
Jacky setzte sich und bedachte Doyle mit einem gleichzeitig strengen und verlegenen Blick, als er Cognac in zwei Gläser goß und eins über den Tisch schob. »Danke«, sagte Doyle, nahm es an und hielt es unter die Nase. Das Bukett ließ keine Wünsche offen. »Ihr lebt hier nicht schlecht«, räumte er widerwillig ein.
Jacky hob die schmalen Schultern. »Die Bettelei ist ein Gewerbe wie jedes andere«, sagte er, ein wenig ungeduldig, »und Kopenhagen-Jack versteht sich am besten auf seine Organisation.« Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Sag mir jetzt die Wahrheit, Doyle - was hast du getan, daß Dr. Romany so wild hinter dir her ist?«
Doyle schaute ihn groß an. »Wer ist Dr. Romany?«
»Das Oberhaupt der mächtigsten Zigeunersippe in England.«
Geisterfinger kitzelten Doyle die Nackenhaare. »Ein großer, kahlköpfiger alter Kerl? Der Schuhe mit federnden Sohlen trägt?«
»Derselbe. Er hat alle Bettler und Diebe in Horrabins Fuchsbau beauftragt, nach einem Mann deiner Beschreibung Ausschau zu halten, der einen fremden, möglicherweise amerikanischen Akzent spricht. Und er bietet eine hohe Belohnung für deine Gefangennahme.«
»Horrabin? Dieser Clown? Mein Gott, ich habe ihn heute vormittag kennengelernt, sah mir sein verdammtes Puppentheater an. Er schien nicht...«
»Dr. Romany erteilte seinen Suchauftrag erst heute abend. Horrabin erwähnte, daß er dich in Billingsgate gesehen habe.«
Doyle schwieg verwirrt. Es war schwierig, die verschiedenen Interessen in alledem zu erkennen. Wenn ein Waffenstillstand erreicht werden könnte, würde er nichts gegen ein Gespräch mit Dr. Romany haben, denn der Mann wußte offensichtlich irgendwie die Zeiten und Orte, wo die Lücken auftraten; und Doyle hatte noch immer den mobilen Haken um den Arm geschnallt. Gelänge es ihm, die genaue Örtlichkeit einer Lücke zu erfahren und sich in ihr Feld zu stellen, wenn sie sich schloß, würde er im London des Jahres 1983 auf diesem Gelände wieder erscheinen. Eine übermächtige Empfindung sehnsuchtsvollen Heimwehs ergriff Besitz von ihm, als er an Kalifornien dachte, die Universität, seine Ashbless-Biographie... Auf der anderen Seite hatte dieser Dr. Romany nicht den Eindruck einer umgänglichen Person gemacht, mit seiner Zigarre und allem. Und von welcher Art war das Interesse dieses Burschen an der ganzen Sache? Wahrscheinlich die ›hohe‹ Belohnung.
Bei diesem Gedanken mußte Doyle seinem Gegenüber einen mißtrauischen Blick zugeworfen haben, denn der junge Mann schüttelte den Kopf und sagte seufzend: »Nein, ich habe nicht vor, dich auszuliefern. Ich würde keinen Straßenköter den Händen dieser Kreatur überantworten, selbst wenn er in der Frage der Belohnung Wort hielte, was unwahrscheinlich ist. Die wirkliche Belohnung würde wahrscheinlich die Gelegenheit sein, den Grund der Themse nach verlorenen Münzen abzusuchen.«
»Nun gut.« Doyle nippte vom Cognac. »Aber es hört sich an, als hättest du an einer Versammlung dieser Leute teilgenommen.«
»Das habe ich. Käpt'n Jack bezahlt mich dafür, daß ich umhergehe und mich darüber unterrichte, was die... die Konkurrenz tut. Horrabin hält Versammlungen in einem Abzugskanal unter der Bainbridge Street ab, und ich bin dort ein häufiger Besucher. Aber hör auf, der Frage auszuweichen: warum ist er hinter dir her?«
»Nun...« Doyle hob sein Glas und bewunderte zerstreut die leuchtende Farbe, welche die Flammen dem bernsteinfarbenen Cognac entlockten. »Ich weiß es selbst nicht genau, aber mir ist klar, daß er etwas von mir erfahren will.« Er merkte, daß der Alkohol auf ihn wirkte. »Er will wissen, wie ich auf einer Wiese bei Kensington erschienen bin.«
»Und? Wie bist du erschienen? Und was kümmert es ihn?«
»Ich will dir die Wahrheit sagen, Jacky, mein Junge. Durch Magie bin ich
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