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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Mode verabscheute, die von Frauen verwirrte Hilflosigkeit verlangte, fühlte sich zu ihrem Verdruß einer Ohnmacht nahe.

    Das Jamaica-Kaffeehaus schloß um fünf Uhr, und als es soweit war, sah Doyle sich aus dem Haus befohlen, und nicht allzu höflich. Er schlenderte ziellos herum und stand eine Weile auf dem Gehsteig der Threadneedle Street, von wo aus er zerstreut über die belebte Straße zur eindrucksvollen Fassade der Bank von England hinblickte, die Manuskriptblätter vergessen in der Hand.
    Ashbless war nicht erschienen.
    Während des langen Tages hatte Doyle im Geist die historischen Quellen seiner Gewißheit, daß Ashbless kommen würde, überprüft; die Bailey-Biographie stellte eindeutig fest, daß es das Jamaica-Kaffeehaus gewesen sei, um zehn Uhr dreißig vormittags, Dienstag den 11. September 1810 - aber natürlich beruhte die Bailey-Biographie auf Ashbless' Erinnerungen aus einem späteren Lebensalter; andererseits sandte Ashbless das Gedicht Anfang Oktober dem Kurier ein, und Doyle hatte den Begleitbrief nicht nur gelesen, sondern selbst in der Hand gehalten. »Ich schrieb ›Die Zwölf Stunden der Nacht‹ am Dienstag dem elften vergangenen Monats«, hatte Ashbless geschrieben, »im Jamaica bei der Maklergasse, und das Motiv war von meiner kurz zuvor beendeten langen Reise verursacht...« Verdammt, dachte Doyle, er mag sich zehn oder zwanzig Jahre später an ein falsches Datum erinnert haben, doch konnte er sich nach weniger als einem Monat kaum geirrt haben! Schon deshalb nicht, weil er Tag und Datum so präzise angab!
    Ein dicker kleiner rothaariger Kerl starrte ihn von der Ecke bei der Börse her an, und Doyle, der einen Argwohn gegen beobachtende Fremde entwickelt hatte, ging zielbewußt nach Osten davon zur Gracechurch Street, die ihn zur London Bridge und über den Fluß zu Kusiak führen würde.
    Konnte Ashbless absichtlich gelogen haben? Aber warum, in aller Welt, hätte er das tun sollen? Doyle sah sich verstohlen um, aber der rothaarige Bursche folgte ihm nicht. Reg dich nicht auf! sagte er sich - jedesmal, wenn dich jemand mustert, denkst du gleich, es sei einer von Horrabins Zuträgern. Wie auch immer, dachte er, wieder mit dem Rätsel beschäftigt, das nächste Ereignis, dessen ich in der Ashbless-Chronologie sicher zu sein glaube, ist, daß er gesehen wurde, wie er am Samstag, dem Zweiundzwanzigsten diesen Monats in einem der Kaffeehäuser in der Maklergasse einen der tanzenden Affen erschoß. Aber ich kann nicht noch einmal anderthalb Wochen warten. Schon jetzt ist meine Lungenentzündung so lange verschleppt worden, daß mir wahrscheinlich nicht einmal die Medizin des zwanzigsten Jahrhunderts noch helfen kann. Ich werde mich - Gott steh mir bei! - an Dr. Romany wenden müssen. Der Gedanke verursachte ihm Übelkeit. Vielleicht sollte er sich eine Pistole an den Hals binden und den Finger am Abzug halten und ihm sagen: ›Entweder wir verhandeln und schließen ein Abkommen, oder ich gebe mir die Kugel, und Sie werden nichts in Erfahrung bringen...‹ Würde Romany es wagen, solch einen Bluff herauszufordern? Und würde er selbst mit seiner Drohung notfalls ernst machen?
    Er ging durch eine schmale Straße beim Aldgate, als er jemanden über eine der Dachbrücken gehen sah und ein Lied pfeifen hörte. Er verhielt und lauschte. Es war eine vertraute Melodie, und so melancholisch und voll Heimweh, daß sie als eine passende Begleitung seines einsamen Abendspaziergangs gewählt zu sein schien. Wie, zum Teufel, hieß das Ding noch, überlegte er abwesend, während er weiterging. Nicht Greensleeves, nicht Londonderry Air...
    Dann blieb er wie vom Donner gerührt stehen, und der Schock weitete seine Augen. Es war Yesterday, der Beatles-Schlager von John Lennon und Paul McCartney.
    Er stand in völliger Benommenheit da, wie Robinson Crusoe, der den Fußabdruck im Sand entdeckt hat.
    Dann warf er sich herum und rannte zurück. »He!« schrie er, als er unter der kleinen Brücke war, doch die war jetzt leer. »He, kommen Sie zurück! Ich bin auch aus dem zwanzigsten Jahrhundert!« Ein paar Passanten warfen ihm den vorsichtig erheiterten Blick zu, den die Leute für Verrückte aufsparen, aber niemand schaute von den umliegenden Dächern herab. »Verdammt«, schrie Doyle in Verzweiflung, »Coca Cola, Clint Eastwood, Cadillac!«
    Er rannte in das Gebäude und trampelte die Stiege hinauf, und es gelang ihm sogar, die Tür zur Dachbrücke zu finden und zu öffnen, aber niemand war hier oben in

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