Die Tore zu Anubis Reich
von einem Loch im Boden, worauf er niederkauerte und versuchte, Kopf und Fackel nahe an das Loch heranzubringen, ohne sein fettiges weißes Haar in Brand zu setzen. »Niemand zu Hause.« Er steckte die Fackel aufrecht in ein Loch zwischen den Bodenplatten, hakte die Finger beider Hände um eine versenkte Eisenstange im Boden, brachte seine Füße sorgfältig in Position und zog sie hoch. Eine ganze Steinplatte hob sich, offenbar an Scharnieren, und gab eine kreisrunde Öffnung frei, deren Durchmesser eine Schrittlänge betragen mochte. Die Platte kam in einem Winkel von etwas mehr als neunzig Grad zur Ruhe, und Dungy trat zurück und wischte sich die Stirn.
»Dein Zimmer erwartet dich, Achmed«, sagte Horrabin. »Wenn du dich an den Händen hängen und fallen läßt, sind es nur sechs Schuh bis zum Boden. Du kannst das tun, oder hineingestoßen werden.«
Jackys Bewacher führten sie vorwärts, und als sie vor dem Loch angelangt waren, gaben sie ihre Arme frei und traten zurück. Sie rang sich ein Lächeln ab. »Wann gibt es Abendessen? Muß ich mich vorher umziehen?«
»Du kannst an Vorbereitungen treffen, was dir gefällt«, sagte Horrabin kalt. »Dungy wird es dir um sechs hineinwerfen. Und jetzt vorwärts!«
Jacky beäugte ihre beiden Begleiter und überlegte, ob sie zwischen ihnen durchbrechen und fliehen könnte, aber sie verstanden den Blick richtig, traten noch einen halben Schritt zurück und hoben die Arme ein wenig von ihren Seiten auswärts. Ihr Blick fiel hoffnungslos auf das Loch zu ihren Füßen, und zu ihrer eigenen Demütigung fühlte sie sich den Tränen nahe. »Gibt...«, würgte sie hervor, »gibt es da unten Ratten? Oder Schlangen?« Ich bin bloß ein Mädchen! wollte sie schreien, wußte aber nur zu gut, daß die Enthüllung die bevorstehenden Heimsuchungen lediglich vermehren würde.
»Nein, nein«, versicherte ihr Horrabin. »Was sich dort unten an Ratten und Schlangen einschleichen kann, wird von anderen Kreaturen verschlungen. Sam, er will es nicht selbst tun; stoß ihn hinein!«
»Wartet!« Jacky kauerte nieder und setzte sich auf den Rand des Loches, daß ihre Füße in die Dunkelheit baumelten. Sie hoffte, die anderen würden nicht sehen, wie haltlos ihre Beine unter dem Gewand zitterten. »Ich geh schon, ich brauche deine... freundliche Hilfe nicht.« Sie bog sich vor und ergriff den Rand gegenüber. Nach einem tiefen Atemzug ließ sie sich vom Rand gleiten und in das Loch hinab, bis sie an den ausgestreckten Händen hing. Sie blickte hinunter und konnte nichts sehen, nur die schwärzeste Finsternis, in die sie je gestarrt hatte. Der Boden konnte drei Zoll unter ihren Zehen sein, oder dreihundert Schuh.
»Stoß ihm die Hände weg!« sagte Horrabin. Sie ließ los, ehe jemand dem Befehl Folge leisten konnte.
Nach einer langen Sekunde freien Falls landete sie mit federnden Knien auf lehmigem Grund und konnte vermeiden, daß eins der Knie ihr gegen das Kinn schlug, als sie sich hart niedersetzte. Etwas huschte über den Lehmboden davon. Aufblickend, sah sie die Unterseite der Steinplatte erscheinen, angeleuchtet vom Fackelschein, dann fiel sie mit einem erschreckend hohlen Dröhnen zu; die nächsten Augenblicke war noch ein winziges Rechteck trüben rötlichen Lichtscheins über ihr, doch dann brachte jemand die Metallplatte über dem Guckloch wieder an, und sie war allein in einförmiger, desorientierender Schwärze.
Obwohl sie gespannt war wie die Feder eines überzogenen Uhrwerks, rührte sie sich nicht von der Stelle, sondern atmete leise durch den offenen Mund und lauschte. Als sie heruntergefallen war, hatten die nahen Echos ihres Falles sie überzeugt, daß der eingetiefte Raum von einer Wand zur anderen nicht mehr als fünf Schritt messen konnte, aber nach vielen lautlosen Atemzügen glaubte sie Gewißheit zu haben, daß er bei weitem größer war, tatsächlich gar kein Raum, sondern eine weite unterirdische Ebene. Sie schien den Wind in entfernten Bäumen zu hören, und hin und wieder ein leises Echo fernen Gesangs, eines traurigen Chorais, weit draußen auf der Ebene gesungen... Die Erinnerung an das steinerne Dach über ihr begann ihr schon zweifelhaft zu erscheinen; sicherlich war es bloß der ewige schwarze Himmel, in welchem alle gesehenen Sterne bloß bedeutungslose Lichtblitze auf der individuellen Netzhaut waren - vielleicht immer schon gewesen waren.
Sie begann sich bereits zu fragen, ob das Brandungsgeräusch nichts anderes gewesen sei als das Geräusch ihres
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