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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Sicht. Er überquerte die kleine Brücke und stieg dann durch das andere Gebäude wieder zur Straße hinab, und obgleich er außer Atem war, sang er Yesterday, so laut er konnte, damit es in allen Korridoren zu hören sei. Damit zog er manche Beschwerde unfreundlicher Bewohner auf sich, bekam aber niemanden zu Gesicht, der die Melodie zu kennen schien.
    »Dir werd' ich zeigen, wo du dich verstecken kannst, du Strauchdieb!« rief ein wütender alter Mann, der zu denken schien, daß Doyles Verhalten eigens darauf angelegt sei, ihn zu ärgern, »wenn du nicht augenblicklich hier verschwindest!« Und er schüttelte Doyle beide Fäuste nach.
    Doyle eilte die letzte Stiege hinab und öffnete die Tür zur Straße. Inzwischen begann er zu zweifeln, ob er die Melodie wirklich gehört hatte. Wahrscheinlich war es ein Lied gewesen, das ähnlich klang, dachte er, als er die Tür hinter sich schloß. Schließlich war es verständlich, daß er gern glauben wollte, andere hätten einen Weg zurück ins Jahr 1810 gefunden. Da ließ man sich gern überzeugen, daß es die Beatles-Melodie war.
    Der Himmel stand grau hinter den Dachfirsten, aber es dunkelte. Er eilte weiter nach Süden, zur London Bridge, denn er wollte den Schichtbeginn um sechs dreißig in Kusiaks Stall nicht versäumen. Er brauchte diese Stelle.

    Die verbliebenen Blätter an den Bäumen des Bloomsbury Squares leuchteten golden und rot im Sonnenschein des Donnerstagnachmittags, als Achmed, der indische Bettler, aus Paddy Corvans Wirtshaus trat, eine kleine Weile voller Heimweh die Bäume und das Gras betrachtete, sich dann sorgfältig Bierschaum vom künstlichen Bart und Schnurrbart wischte und entschlossen nach links bog, wo die Maynard Street und die Rattenburg warteten. Der Wind blies von vorn, kam aus dem Herzen des St. Giles-Viertels, und die Gerüche von Kloaken, Herdfeuern und gekochten Abfällen zerstörten den zerbrechlichen ländlichen Charme des Platzes.
    Seit jenem Abend vor fünf Tagen, als sie auf Dr. Romanys Fersen die Treppe zum unterirdischen Kanal hinabgeschlichen war, entschlossen, Hundsgesicht-Joe zu töten, war Jacky nicht mehr in der Rattenburg gewesen; und diesmal ging sie hin, um zu erfahren, ob sonst jemand bei der Suche nach dem pelzigen Gestaltveränderer Fortschritte gemacht hatte.
    Als sie nach rechts in den finsteren Spalt bog, schmal auf der Ebene des Pflasters, aber noch schmaler dort, wo die Dächer fast aneinanderstießen, der die Maynard Street war, beugte sich ein kleiner Junge aus einer unvollkommen mit Brettern vernagelten Ladeöffnung im dritten Stock eines verlassenen Lagerhauses an der Ecke. Seine unter einem piratenhaften und übergroßen Dreispitz hervorspähenden Fischaugen beobachteten die Gestalt Achmeds, des indischen Bettiers und der nahezu zahnlose Schlitz eines Mundes bog sich in einem Lächeln aufwärts. »Achmed«, wisperte der Junge, »du gehörst mir!«
    Ein Seil hing noch immer von der rostigen Rolle unter dem überhängenden Dach, drei Stockwerke über ihm - nur weil es zu weit von der Wand hing, um ergriffen zu werden, wenn man sich aus den Ladeöffnungen der Stockwerke beugte, und seine Enden zu hoch über dem Pflaster baumelten, um erreicht zu werden, auch wenn ein Mann sich auf die Schultern eines anderen stellte -, und verlockt von der Unermeßlichkeit der Belohnung, die Horrabin geboten hatte, sprang das Kind auf die Planke, auf der seine Hände geruht hatten, und dann mit einem weiten Satz über zwei Schritte leeren Raumes hinweg und faßte das alte Seil.
    Der Flaschenzug war bis zur Unbeweglichkeit festgerostet, und zum Glück für den Jungen lief das Seil stockend durch die Rollen, so daß er, obwohl er auf dem Weg hinab hart gegen die Ziegelmauer schlug, sich nicht die Beine brach, als er drei Stockwerke tiefer auf dem Pflaster landete. Er rappelte sich auf, während Schlingen des steifen, weißlich verwitterten Seiles ringsum auf das Pflaster klatschten und ihm den Hut auf die Nase schlugen. Der Junge sprang auf und eilte Achmed nach, als drei alte Frauen aus einem Kellereingang heraufstiegen und zu streiten begannen, wer das Seil bekommen sollte. Achmed ging neben einer niedrigen Mauer, und der Junge kletterte hinauf, lief auf der Krone entlang und sprang, kreischend wie ein Affe, dem indischen Bettler ins Genick. »Ich hab ihn! Ich hab Achmed!« schrillte er. »Holt Horrabin!«
    Angezogen von dem Lärm, traten mehrere Männer aus dem Eingang der Rattenburg, starrten ein paar Augenblicke verdutzt auf

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