Die Tore zu Anubis Reich
wirst, ehe du aus diesem Haus kommst.«
»Dann leih mir ein Messer!«
»Was - warum sollte ich?«
Jacky zwinkerte ihm zu. »Kommst du manchmal nach Picadilly?«
Ein Lächeln erschien in Carringtons Zügen, und er streckte den Arm aus und faßte sie um die Mitte.
»Nein, nein, nicht mich«, sagte sie hastig. »Ich... äh... habe - eine Krankheit. Aber wir haben saubere Mädchen in Piccadilly. Soll ich dir das Losungswort geben, das dir eine gratis verschaffen wird oder nicht?«
Carrington war von ihr zurückgewichen, als sie ihre Krankheit erwähnt hatte, nun aber griff er zögernd unter seinen Rock und zog ein Messer in einer Lederscheide hervor. »Hier«, sagte er, »wie lautet das Losungswort?«
Jacky flüsterte ihm den unflätigsten Ausdruck zu, den sie kannte. »Ich weiß, es klingt verrückt, aber das ist es«, fügte sie hinzu. »Geh einfach in eines der Häuser, und wenn der Rausschmeißer dich anhält, flüsterst du es ihm ins Ohr!«
Jacky ging ohne Eile aus der Rattenburg, scheinbar ganz vertieft in die Säuberung ihrer Fingernägel mit dem Messer.
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7. KAPITEL
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Jugend, Natur und mitleidiger Zeus nährten mein Licht und ließen es strahlen. Aber Romanelli war so kühn, sich gegen alle drei zu stellen - und blies es aus.
LORD BYRON
(in einem Brief aus Patras, 3. Oktober 1810)
Am Samstagmorgen erwachte Doyle auf seinem Strohsack und merkte, daß er zu einem Entschluß gelangt war; die Aussicht auf das, was zu tun er beabsichtigte, verschaffte ihm einen trockenen Mund und zitternde Hände, aber es war die klare Lösung zugunsten eines schwierigen, aber, wie ihm schien, gangbaren Weges, und sie war eine Erleichterung nach einer Woche quälender Unschlüssigkeit.
Es war ein Fehler gewesen, all seine Hoffnungen auf Ashbless und dessen Hilfe zu setzen. Selbst wenn es ihm gelänge, den Dichter ausfindig zu machen, blieb es eine phantastische Vorstellung, daß Ashbless irgend etwas tun würde oder könnte, um ihm zu helfen. Der Konflikt bestand zwischen ihm und Dr. Romany, und eine Konfrontation war das einzige Mittel zu seiner Auflösung. Je eher sie stattfand, desto besser - denn mit Doyles Gesundheit ging es entschieden bergab.
Er bat Kusiak um einen freien Tag, und der alte Mann war gern bereit, seiner Bitte zu entsprechen, denn Doyles trockener Husten wurde so schlimm, daß Gäste und Kunden in seiner Gegenwart mit Unbehagen reagierten, als fürchteten sie die Übertragung einer Seuche. Doyle kratzte seine mageren Ersparnisse zusammen und kaufte, was er für eine Versicherung hielt: eine rostige alte Steinschloßpistole, die der Inhaber des Ladens für Seemannsbedarf ihm mit dem Versprechen, sie würde tatsächlich feuern, angepriesen hatte, und mit der sich selbst zu erschießen Doyle für den Fall drohen wollte, daß Dr. Romany versuchen sollte, ihn von seinen Leuten überwältigen zu lassen. Gestern hatte Jacky ihm auf der London Bridge von dem vergeblichen Anschlag auf Horrabins Leben erzählt, und Doyle wünschte, er hätte die Giftpille, die der Zwerg Jacky angeboten hatte; es wäre einfacher, diese zwischen den Zähnen zu halten, als sich selbst ständig eine Pistole an die Schläfe zu halten.
Da ihm frühzeitig klargeworden war, daß sein Arm ermüden würde, wenn er die schwere Pistole längere Zeit auf sich selbst richten müßte, hatte er seinen Gürtel abgeschnallt, das Ende durch den Sicherungsbügel der Waffe gezogen und schnallte ihn dann um seinen Hals. Wenn er die Jacke darüber zuknöpfte und das Halstuch ein wenig heraushängen ließ, so daß es die Pistolenmündung, die nun kalt in die weiche Stelle hinter seinem Kinn drückte, verdeckte, vermied er unwillkommenes Aufsehen und hielt die Pistole gleichzeitig in einer Position, wo ein Ruck seines Daumens zwischen dem zweiten und dritten Jackenknopf den Schuß auslösen und die Kugel aufwärts durch Mund, Zunge, Nasenhöhle und Gehirn jagen, bis sie knapp hinter seiner Geheimratsecke ins Sonnenlicht hervorbrechen würde. In der Bishopsgate Street begegnete er einem Bettler aus KopenhagenJacks Haus, und nachdem sie einander begrüßt hatten, erzählte der Mann ihm auf Befragen, daß Dr. Romanys Zigeunerlager sich gegenwärtig auf einer Wiese am Nordende der Goswell Road befinde, wo die Frauen reichen Aristokraten aus dem West End weissagten und den Bewohnern des verrufenen Viertels um die Golden Lane Liebestränke und Gifte verkauften.
Doyle dankte ihm, bat, ihn seinen Kollegen zu empfehlen, und schlug die Wall Street
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