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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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nach Osten ein. Gerade als er die Coleman Street überquerte - nur einen Block, dachte er bei sich, von Keats' Geburtshaus entfernt -, vernahm er ein lautes Pfeifen von der Nordseite der Straße.
    Es waren die einleitenden Noten von Yesterday.
    Und sie wurden von der gegenüberliegenden Seite der Coleman Street mit der Fortsetzung der Melodie beantwortet.
    Diesmal gab es keinen Zweifel. Er war nicht der einzige Mensch aus dem zwanzigsten Jahrhundert im Jahr 1810. Mit starkem Herzklopfen rannte er über die Straße, hielt auf dem nördlichen Bürgersteig inne und blickte wild umher. Viele Leute sahen ihn an, und er schaute mit angespannter Aufmerksamkeit in jedes der erheiterten oder mißbilligenden Gesichter, wo er irgendwie einen Anachronismus zu entdecken hoffte, der den Betreffenden als einen Schicksalsgenossen ausweisen würde; aber sie schienen allesamt einheimische Bürger zu sein.
    Er hatte ein paar unsichere Schritte die Coleman Street hinaufgetan, als er auf die Kutsche an der Bordsteinkante gegenüber aufmerksam wurde. Ihr Seitenfenster war offen, und Doyle konnte im Innern undeutlich einen Passagier ausmachen. In dem Augenblick, ehe seine Füße vom Pflaster gerissen wurden, sah er in der Kutsche das Mündungsfeuer einer Waffe aufblitzen, doch was er hörte, war die Detonation der Pistole unter seinem Hemd, als die Kugel Zündpfanne und Hammer zerschlug und das Pulver zündete; er hatte sich rasch zur Seite gewandt und die Mündung war neben seinem Kinn statt darunter, als die Pistole losging, und die rotglühende Kugel pflügte nur über seine Kinnlade und riß ihm das rechte Ohr ab, statt ihm den Schädel zu sprengen.

    Er lag wie leblos, ohne etwas zu sehen oder das Rattern der davonrollenden Kutsche zu hören. Er begriff vage, daß es eine Explosion gegeben hatte, und daß er verletzt und überall voller Blut war. Seine Brust schmerzte furchtbar, aber als seine fast gefühllosen Hände die vom Pulver verbrannten Fetzen seines Hemdes aus dem Weg geschoben und die rauchende, zersplitterte Pistole fortgestoßen hatten, konnten sie nichts finden, was sich wie eine tödliche Verletzung anfühlte - nur ein paar verbrannte Stellen und Kratzer. In seinen Ohren dröhnte es, im rechten schlimmer als im linken; tatsächlich war diese ganze Kopfseite so tot, als ob er eine Novocainspritze bekommen hätte. Er befühlte sie mit der Hand und spürte warmes, reichlich fließendes Blut und aufgerissenes Fleisch, aber kein Ohr. Was war geschehen, in Gottes Namen?
    Er hatte sich auf den Bauch gewälzt und versuchte auf die Füße zu kommen, als mehrere Leute herbeieilten und ihn mitleidig aber unsanft in die Höhe zogen. Doyle war sich ihrer Bemerkungen undeutlich bewußt: »Na, wirst du es schaffen, Kumpel?«
    »Wie kannst du fragen, du siehst doch, er ist glatt durch den Kopf geschossen worden.«
    »Der Mann in der Kutsche hat ihn erschossen.«
    »Unsinn, ich hab's genau gesehen - seine Brust explodierte. Er trug eine Bombe bei sich. Das ist einer der französischen Spione vom Leicester Square.«
    »Da, seht mal!« rief eine andere Stimme. »Er hat eine zersplitterte Pistole um den Hals gebunden.« Er hob Doyles Gesicht zu sich empor. »Warum, zum Teufel, hattest du eine Pistole so getragen?«
    Doyle wollte nichts als weg von diesem Ort. »Ich... hatte sie gerade gekauft«, murmelte er. »Dachte, es wäre praktisch, sie so nach Haus zu tragen. Ah... anscheinend ist sie zufällig losgegangen.«
    »Der Mann ist ein Idiot«, verkündete Doyles Vernehmer. Zu Doyle gewandt, fügte er hinzu: »Sie kann sowieso nichts getaugt haben. Du hast gesehen, wie sie nach dem ersten Schuß auseinandergeflogen ist. Hier, komm mit mir, ich bringe dich zu einem Arzt, der dir den Kopf verbinden kann!«
    »Nein!« Doyle konnte sich nicht besinnen, ob antiseptische Mittel 1810 allgemein in Gebrauch waren, und obwohl er wußte, daß er nicht klar denken konnte, wußte er auch, daß er sich keine Infektion von ungewaschenen Fingern und Nähfaden holen wollte. »Mur... besorgen Sie mir bitte etwas Branntwein. Starken Branntwein. Oder Whisky - irgendwas mit viel Alkohol.«
    »Ich wußte es!« quiekte ein alter Mann irgendwo im Hintergrund, wo er nicht sehen konnte, was eigentlich vorging. »Es ist ein Trick. Wahrscheinlich hat er sein Ohr vor Jahren schon verloren und läuft jetzt in ganz London herum und gibt vor, es sei ihm gerade abgeschossen worden, damit die Leichtgläubigen ihm was zu trinken spendieren.«
    »Nein«, widersprach ein

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