Die Tore zu Anubis Reich
handeln!
»Hören Sie mir überhaupt zu, Brendan?«
»Verzeihung. Was?«
»Hören Sie zu, es ist wichtig! Heute ist Dienstag. Wie wäre es, wenn wir uns am Samstag treffen würden, bei Jonathen, in der Börsengasse oben bei der Bank? Nun, wir können dort mittags um zwölf zusammenkommen, bis dahin kann ich die Geschichte mit dem Brief und dem Mädchen und dem haarigen Mann in die Wege leiten, und Sie können zu Darrow gehen. Einverstanden?«
»Wie soll ich bis Samstag überleben? Als Sie mich niederschossen, brachten Sie mich um meine Stellung.«
»Oh, tut mir leid, hier.« Benner grub in seiner Tasche und warf fünf zerknüllte Fünfpfundnoten auf den Tisch. »Reicht das?«
»Das sollte genügen.« Doyle steckte die Scheine ein und stand auf. Benner streckte ihm die Hand hin, aber Doyle lächelte nur. »Nein, Benner. Ich bin bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, aber einem Mann, der es fertig bringt, einen alten Bekannten niederzuschießen, nur um den eigenen Arsch in Sicherheit zu bringen, gebe ich nicht die Hand.«
Benner klappte seine Hand zu und lächelte. »Sagen Sie das noch einmal, nachdem Sie in derselben Lage gewesen sind und anders gehandelt haben. Dann werde ich mich vielleicht schämen. Bis Samstag.«
»In Ordnung.« Doyle verließ den Tisch, wandte sich noch einmal zurück. »Das ist eine gute Zigarre. Wo haben Sie die gekauft? Ich habe mich schon gefragt, wie die Zigarren um 1810 sein werden, und nun kann ich sie mir leisten.«
»Tut mir leid, Brendan. Es ist eine Upmann, Ernte 1983. Ich habe eine Kiste voll von Darrow mitgehen lassen, als ich verduftete.«
»Hm.« Doyle ging zur Tür und verließ das Lokal. Der Mond war aufgegangen, und die Schatten rasch ziehender Wolken glitten wie flüchtige Gespenster, die es eilig hatten, zum Fluß zu kommen, über Straße und Häuserfronten. Ein alter Mann kauerte in der Mitte der Straße über dem Abfluß, und als Doyle hinsah, hob er einen zerkauten Zigarrenstummel auf.
Doyle ging zu ihm. »Hier«, sagte er und hielt ihm seine brennende Zigarre hin. »Laß den Dreck liegen, Freund, und nimm eine echte Upmann!«
Der alte Mann blickte grimmig zu ihm auf. »Up mäh was?«
Zu müde, um es ihm zu erklären, eilte Doyle weiter.
Wohlhabend genug, um sich ein gutes Leben zu gönnen, nahm Doyle ein Zimmer bei den Gastfreundlichen Junkern in der Paneras Lane, denn alle Quellen stimmten darin überein, daß William Ashbless hier die ersten Wochen nach seiner Ankunft in London verbracht hatte; und obwohl er zu seiner Überraschung erfuhr, daß der Hausherr nie von Ashbless gehört, noch jemals ein Zimmer an einen großen und kräftig gebauten blonden Mann vermietet hatte, mit oder ohne Bart, war die Frage von Ashbless' Abwesenheit nun, da er in das Geschäft mit Benner eingestiegen war, für Doyle sehr viel weniger dringlich.
Die nächsten drei Tage widmete er dem Nichtstun und seiner Erholung. Sein Husten schien sich nicht weiter zu verschlimmern - wenn überhaupt eine Änderung zu verzeichnen war, dann eine leichte Besserung -, und das Fieber, mit dem er zwei Wochen gelebt hatte, war ihm durch Kusiaks würzige Fischsuppe und das dunkle Bier offenbar ausgetrieben worden. Aus Furcht vor Horrabins und Darrows Leuten entfernte er sich nicht weit von seinem Quartier, aber vor seinem Fenster gab es einen schmalen Balkon, von dem aus er über die Dachtraufe auf das Dach des Hauses klettern konnte; und auf einer ebenen Oberfläche zwischen zwei Schornsteinen fand er einen Stuhl, dessen Holz von Jahrzehnten des Londoner Wetters gebleicht und gespalten war. Hier saß er an den langen Abenden während der Dämmerung und blickte hinab über die absteigenden Terrassen der Fish- und Thames Streets zum dunstigen Fluß, wo Boote mit einem Anschein säumiger Heiterkeit im Ebbstrom seewärts dahinzogen; er hatte Tabak und ein Feuerzeug auf der breiten Ziegelummauerung des Schornsteins zu seiner Linken liegen, und einen Krug mit kühlem Bier neben seiner rechten Hand auf dem Dach stehen, und indem er abwechselnd an seiner Pfeife sog und aus dem Steingutbecher trank, blickte er über das beinahe byzantinische Gewirr von Dächern und Türmen und Rauchsäulen hin, die allesamt von der Kuppel der St. Pauls Kathedrale am anderen Ende der Stadt und zu seiner Rechten beherrscht wurde, und er überlegte in der behaglichen Distanziertheit eines Mannes, der sich zu keiner Entscheidung gedrängt sieht, ob er nicht Benner einfach versetzen und statt einer Rückkehr ins zwanzigste
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