Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
seinen Augen schimmerte eine Intelligenz, die nicht die seine war; sie blitzte einen Moment unter einer harten, undurchdringlichen Präsenz auf. Sie blinzelte, und sein Blick schien weicher, aber nicht weniger wachsam.
»Letzte Nacht …«, fuhr sie unerschrocken fort.
»Du konntest auch nicht schlafen«, fiel er ihr nickend ins Wort. »Ehrlich gesagt, wenn ich so viel blähen müsste wie du, hätte ich schon Schwierigkeiten, Luft zu bekommen, geschweige denn einzuschlafen.«
»Das wollte ich nicht sagen.«
Er seufzte, schien noch weiter zu schrumpfen, und als er ausatmete, schien etwas von ihm zu weichen.
»Ich weiß«, antwortete er schwächlich. Es klang wie ein Wimmern. »Ich weiß, was du willst. Ich weiß es immer, wenn du mich anstarrst.«
»Das mache ich nicht absichtlich.«
»Doch, das tust du. Das ist einfach deine Art zu fragen. Du starrst die Leute an.« Als er sie ansah, zitterten seine Augenwinkel, und Sterne funkelten vor den rot geäderten Augäpfeln. »Aber es ist viel zu früh für so etwas, findest du nicht auch?«
»Wofür?« Sie bemühte sich, die Empörung in ihrer Stimme zu verbergen. »Fürs Reden?«
»Für das, worüber du reden willst, ja«, antwortete er scharf. »Also tu mir einfach den Gefallen, dich heute friedlich zu verhalten, wenn ich dich darum bitte.«
»Ich soll mich …« Sie sah ihn ungläubig an. »Wie lange?«
»Hoffentlich«, er drehte sich um und ging langsam davon,
»so lange, bis einer von uns tot ist und es keine Rolle mehr spielt.«
Sie sah ihm einen Moment nach, während Gift auf ihrer Zungenspitze kochte. Kurz bevor er außer Hörweite war, schlug sie zu wie eine Viper und fauchte ihn an.
»Und, wirst du es sein, der mich tötet?«
Er blieb wie angewurzelt stehen, und mit einem scharfen, keuchenden Atemzug war er wieder der Alte. Als er sich zu ihr umdrehte, wirkte er nicht mehr geschrumpft und hielt sich so gerade, wie er konnte. Seine drahtigen Muskeln waren angespannt, und seine Augen glühten vor Ärger. Sie zwang sich, nicht zurückzutreten, als er mit schweren Schritten auf sie zukam.
»Was war das?« In seiner Stimme lag kein Ärger, keine Leidenschaft, nicht einmal Groll.
»Du hast mich sehr gut verstanden«, erwiderte sie hastig. »Wenn du mich im Stich lässt, bringst du mich in Gefahr.«
»Hör auf damit!«
»Willst du etwa so tun, als wäre letzte Nacht nichts passiert?« Sie trat herausfordernd einen Schritt vor. »Hoffst du etwa, dass es nur ein schlechter Traum war? Dass es nicht mehr passieren wird?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin sicher, dass du damit leben kannst, aber ich nicht!«
»Hör auf!«
»Ich kann mich sehr gut an das erinnern, was du gestern Nacht gemacht hast«, fuhr sie fort, ohne sich von seiner steifen Haltung und seinen zusammengekniffenen Augen einschüchtern zu lassen. »Ich kann mich daran erinnern, wie du erst dich selbst angeschrien hast und dann mich. Da bietet sich uns die Chance, herauszufinden, was in deinem Dickschädel vorgeht, und du willst weder um meinetwillen noch um deinetwillen einen Moment erübrigen, um darüber zu reden!«
»Kat …«
»Lenk.« Sie trat einen Schritt näher und betrachtete ihn forschend. Ihre Hand zitterte, als sie sie auf seine Schulter legte. »Was ist mit dir passiert?«
Sie erhielt eine wortlose Antwort. Unter ihrer Hand, unter dem Stoff seines Wamses fühlte sie, wie sich etwas in seinen Knochen rührte. Selbst während die immer höher klimmende Sonne auf sie herunterbrannte, fühlte sie die Kälte, die in ihre Finger drang.
»Das reicht.« Er schlug ihre Hand von seiner Schulter. »Wenn ich nicht über etwas reden will, steht es dir nicht zu, mich zu verhören. Während der letzten Tage wurde auf mich eingestochen, nach mir geschlagen, ich wurde verprügelt, fertiggemacht, und das von unterschiedlichen Leuten und Kreaturen, ohne den Luxus einer Bezahlung zu genießen, die über eine Schüssel Bohnen und die Klagen der Leute hinausging, mit denen ich mich aus irgendeinem Grund immer zu umgeben scheine.«
Sie blinzelte, und er stand ihr Auge in Auge gegenüber. Sein Atem strich kalt über ihre Lippen. Ihre Lungen schienen unter seinem Blick zusammenzufallen, und sie konnte sich nicht abwenden. Sie wollte blinzeln, suchte verzweifelt nach einem Grund, die Augen zu schließen, betete, dass seine Augen schwarze Pupillen hätten, wenn sie die ihren dann wieder öffnen würde.
Aber sie konnte nicht blinzeln. Während er sie anstarrte, konnte sie nur wie unter einem
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