Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
ein.«
»Ungewöhnlich«, murmelte der Assassine. »Das ist ein weit freundlicheres Wort, als ich benutzt hätte.«
Lenk blieb unmittelbar hinter dem Tor stehen und betrachtete prüfend die Kammer, in der er sich befand. Es verstrich eine Weile, bevor er sich umdrehte, mit den Schultern zuckte und dann weitersuchte.
Kataria wollte gerade zu ihm treten, als ihr etwas Merkwürdiges auffiel: Sie konnte ihre eigenen Schritte hören. Die Stille wirkte fast ohrenbetäubend.
»Hörst du …« Sie sah Denaos an. »Hörst du etwas?«
Der Assassine warf ihr einen seltsamen Blick zu, bevor ihm ebenfalls etwas dämmerte.
»Nichts«, flüsterte er. »Der Singsang hat aufgehört.«
Noch bevor Kataria etwas erwidern konnte, fröstelte sie plötzlich. Dann landete etwas Kaltes, Feuchtes mit einem leisen Ploppen auf ihrer Schulter und lief ihr den Rücken hinunter. Sie schluckte, griff hinter sich und nahm etwas davon zwischen die Finger. Es war zu dick für Wasser, wie sie bemerkte, und außerdem strahlte es einen speziellen, wenn auch bekannten Geruch aus.
»Oh!«, keuchte sie und sah hoch. »Hölle …!«
Einen Moment sah sie ihr Spiegelbild in den weißen Augen des Abysmyth, bevor eine lange schwarze Klaue sie am Hals packte. Sie stieß einen unartikulierten, entsetzten Schrei aus, als sie in die Luft gezerrt wurde.
Lenk wirbelte bei ihrem Schrei herum, hatte sein Schwert erhoben und rannte los, bevor er überhaupt wusste, was passierte. Doch er hatte nur einen Schritt gemacht, als die gesamte Festung erzitterte. Ein riesiger Steinblock krachte donnernd
herunter, blockierte den Durchgang und verbannte Lenk hinter eine gigantische graue Wand.
Kataria sah gerade noch, wie ein anderer Dämon Denaos packte, der in seinem Griff erschlaffte, als das Abysmyth, das sie festhielt, sie herumwirbelte. Es entriss ihr mühelos ihren Bogen, zerrte ihr den Köcher vom Rücken und warf beides auf die Erde. Sie hing hilflos in den Klauen des Dämons, als dieser sie einem Dutzend bleicher Gesichter präsentierte, die sich alle verblüffend ähnelten und sie mit boshaften schwarzen Augen betrachteten.
An ihrer Spitze stand ihr stabschwingender Anführer, das einzige Gesicht, das sich zu einem breiten, nadelspitze Zähne zeigenden Grinsen verzerrte.
»Die Abgründige Mutter«, krächzte das Froschwesen, »hat uns reich beschenkt.«
Eisentrutz schien von der Sonne nicht wahrgenommen zu werden.
Schon am hellen Spätnachmittag so dunkel und bedrohlich wie in der Dämmerung, wandte der Turm sein steinernes schattiges Gesicht der Küste zu und schien sie mit seinen schartigen Bastionen finster zu betrachten und mit den leichengespickten Stacheln anzugrinsen, sobald die Flut zurückging. Eisentrutz, ein leidenschaftsloser Monarch der Wogen, war vollkommen ungerührt von den besorgten Blicken, die sich seit den frühen Morgenstunden in seine graue Haut bohrten, und zeigte das Schicksal derer, die ihm getrotzt hatten, wann immer die missbilligenden Blicke zu lange auf ihm ruhten.
Eine sehr passende Metapher, dachte Asper. Eisentrutz war ein Tyrann mit einem Hofstaat aus Schranzen.
Die Omen schimmerten in der Nachmittagssonne, putzten sich und schwangen ihre Köpfe auf den steifen Hälsen, wann immer sie mit ihren riesigen Augen aufs Meer blickten. Die Priesterin scheute sich nicht, ganz offen am Strand zu stehen; die kleinen Kreaturen machten keine Anstalten, sich zu rühren. Sie betrachtete sie erwartungsvoll und hielt jedes Mal den Atem an, wenn sie im Chor mit den Zähnen klapperten. Sie fragte sich, ob sie jetzt wohl die Stimmen ihrer sterbenden Gefährten nachahmen wollten, während
diese von dem, was in der Festung lauerte, in Stücke gerissen wurden.
Die Dämonen ihrerseits schienen jedoch ausreichend Taktgefühl zu besitzen, ihr das zu ersparen.
Dennoch, dachte sie bedauernd, selbst das schreckliche Echo aus ihren faltigen Mäulern würde mir wenigstens einen Eindruck von dem vermitteln, was in dem Turm vor sich geht. Die Omen zeigten jedoch durch nichts, dass sie mehr wussten als sie, und blieben so hocken, wie sie es schon seit einer Ewigkeit getan hatten: in geraden weißen Reihen auf den Zinnen, mit großen, weit geöffneten Augen, selbst als die ärgerliche Nachmittagssonne sie gnadenlos blendete.
Eine Sonne, wie Asper bemerkte, die unheilvoll hoch am Himmel stand.
»Vier Stunden.« Sie seufzte.
Sie hatte zwar keine übermäßigen Gefühlsausbrüche von ihrem Gefährten erwartet, aber sie sah bitterböse zu Gariath
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