Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
sich bei dem Versuch zu entkommen gegenseitig in Stücke. Viele starben sofort, und ihre schlaffen Kadaver taumelten stumm im Wind. Die meisten jedoch lebten und kämpften immer noch, selbst als die Federn auf ihrer Haut hart vor Kälte wurden.
Der Rachen glühte in einem schrecklichen Blau. Die Omen verloren darin ihre Farbe. Die erfrorenen Kadaver wirkten wie Flocken. Stumm und regungslos krachten die Statuen gegeneinander, gefrorene Körperteile brachen ab und wurden vom Winde verweht. Hakennasen, lippenlose Mäuler, riesige, runde Augen: All das zerbarst, krachte gegen Federn, Füße und Köpfe, prallte gegen Körper, Schwänze und Zähne.
Erst als nichts mehr zerbrechen konnte, schloss der Mann seinen Mund.
Seine zitternden Finger lösten sich voneinander, seine Augen nahmen wieder ihre träge weiße Farbe an, und der Wind, der sein Haar gepeitscht hatte, legte sich. Er verschränkte die Hände in den Ärmeln seiner Robe, drehte sich herum und nahm seinen Platz im Heck des Schiffes ein.
Als wäre nichts geschehen, packten die Frauen ihre Ruder und machten sich an die Arbeit. Der Gesang brandete auf, und die Ruderinnen arbeiteten im Takt. Das Schiff glitt über das Meer in Richtung Eisentrutz, durch einen Schneefall hindurch, der aus gepudertem Blut und pulverisiertem Fleisch bestand.
Asper sah fassungslos zu. In einem einzigen Augenblick waren die Omen, Vorboten der Hölle und des Grauens, vollkommen vernichtet worden. Sie waren zu Nichts reduziert worden, setzte sie in Gedanken hinzu, durch die Kraft einer Magie, die sie nicht einmal im Traum für möglich gehalten hätte. Und das Schiff fuhr weiter, während der Mann rote Flocken von seiner Schulter strich, mit einer Miene, die ebenso gleichgültig war wie die Bewegung seiner Hand.
Asper sah ihnen nach, als sie sich Eisentrutz näherten. Sie konnte nur ohnmächtig zusehen, wie diese Macht sich ihren Freunden näherte.
Dreadaeleon schien weit weniger unentschlossen.
»Kommt.« Er schob sich mit einer Entschlossenheit an ihr vorbei, über die sie gestaunt hätte, wäre sie nicht vor Verblüffung vollkommen gelähmt gewesen. »Wir müssen gehen.«
»Was?«, keuchte sie und holte tief Luft. »Jetzt?«
»Dieses Langgesicht ist ein Häretiker.«
»Du weißt doch nicht einmal, welcher Religion er angehört.«
»Er ist kein Ketzer irgendeines erfundenen Gottes, dem Ihr dient!«, fuhr der Jüngling sie an. Er deutete auf das Schiff. »Seht ihn an! Er atmet noch nicht einmal schwer!«
Asper runzelte die Stirn. Sie spürte die Gelassenheit des Mannes sehr deutlich, so wie sie zuvor seine Macht wahrgenommen
hatte. Auch ohne das Langgesicht sehen zu können wusste sie, dass Dreadaeleon recht hatte. Dieser wartete natürlich nicht auf ihre Zustimmung. Er watete vom Ufer ein paar Schritte ins Meer, inhalierte tief und blies dann eine Wolke aus Frost über den Ozean. In den folgenden keuchenden Atemzügen bildete sich ein kleines Eisfloß, das auf der Wasseroberfläche dümpelte.
»Das verletzt sämtliche Gesetze der Magie, alle Vorschriften des Venarium.« Der Jüngling stieg auf das weiße Floß und stand dort überraschend sicher. »Das ist auf jeden Fall wert, sich einzumischen.«
»Deine Freunde sind es nicht?« Asper hob eine Braue.
»Freunde sterben. Magie existiert ewig.« Er sah sie an und reichte ihr eine Hand, die viel zu groß für ihn zu sein schien. »Kommt Ihr, oder wollt Ihr hier sitzen bleiben und Euch noch etwas an der Ironie laben?«
Asper blickte aufs Meer, als sich dort plötzlich etwas regte. Der Mann war wieder aufgestanden und zum Bug gegangen, das spürte sie. Er hatte seine Hände ausgestreckt, und sie fühlte in ihrem Arm die explosive Macht, die sich zwischen seinen Handflächen bildete. Sie sah den Bug des Schiffes, der auf die große, von Felsen gesäumte Mauer von Eisentrutz zielte.
Es war alles andere als klug, abzuwarten, was er vorhatte. Sie knurrte, watete in die Brandung und ergriff die Hand des Jünglings.
»Das ist alles andere als ironisch …«
Lenk nahm die Explosion als dumpfen Schlag wahr, der die Steine in der Decke lockerte und das schwarze Wasser mit einer Staubschicht überzog. Er hastete zur Wand.
»Kat?«
Die Mauer reagierte nicht.
»Kataria?«
Die Steine würdigten ihn keiner Antwort.
»Kat! Denaos!«
Er schlug halbherzig mit der Faust gegen den Steinquader. Seine Energie war durch seine vorherigen Bemühungen aufgezehrt, die ihm nur schmerzhaft pochende Finger eingebracht hatten, während der Stein
Weitere Kostenlose Bücher