Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
einen rotbraunen Fleck zu sehen, der an ihr vorbeischoss, als Gariath den Mann wie ein Stück menschlichen Abfalls über Bord warf. Sie wusste, dass er Kreaturen, die kleiner als er selbst waren, nicht mehr Ehre erweisen würde, als er es eben getan hatte. Dieser Gedanke und der Anblick seines riesigen, blut-überströmten Fußes erzeugten eine gewisse Anspannung in ihrer Stimme, als sie ihn ansprach.
»Wir müssen zurückgehen«, sagte sie. »Wir müssen Lenk suchen.«
Er warf einen Blick über die Schulter. »Nein.«
»Aber …«
»Wenn er lebt, lebt er«, schnaubte er. »Ist er tot … ist das auch kein großer Verlust.«
Er hat recht, und das weißt du auch, sagte sie sich. Er ist nur ein Mensch. Und es gibt viele von ihnen. Du solltest nicht zurückblicken, und es sollte dich nicht kümmern. Er ist nur ein Mensch, eine Plage mehr.
Sie seufzte und versuchte nicht weiter, ihn aufzuhalten, als er sich an ihr vorbeidrängte. Während Gariath zwischen den Gefährten hindurchging, bemühte sich Kataria, sich
selbst von der Wahrheit ihrer Gedanken zu überzeugen. Keiner machte Anstalten, ihn aufzuhalten, das heißt, keiner, der ihr wichtig war.
»Aha!« Quillian stemmte eine ehern bewehrte Hand auf ihre Hüfte und rührte sich nicht, als Gariath auf sie zuging. »Das Schlachtfeld wird also weiterhin durch die Gegenwart von Missgeburten entweiht? Es dürfte schwerlich eine Wiedergutmachung für diese …«
»Halt’s Maul.«
Das Grollen des Drachenmanns war ebenso laut wie der Knall, mit dem sein Handrücken im Gesicht der Serrant landete. Ihre Rüstung ächzte einmal, als sie scheppernd auf das Deck fiel, und dann ein zweites Mal, als Gariath auf sie trat und über sie hinwegschritt.
»Was …? Ich …« Asper knirschte mit den Zähnen und warf seinem geflügelten Rücken einen finsteren Blick zu. »Ich habe sie doch gerade erst hochgepäppelt!«
»Ermutige ihn bloß nicht«, warnte Kataria sie. »Komm lieber mit. Wir suchen Lenk. Gariath erledigt den Rest.«
»Ach, ist das alles?« Dreadaeleon deutete über ihre Schulter. »Dann dürfte ein Teil unseres Problems bereits gelöst sein.« Er hüstelte. »Und zwar von mir.« Er schniefte. »Wieder einmal.«
Sie drehte sich um und versuchte, sich ein Lächeln zu verkneifen, als sie den jungen Mann über das Deck rennen sah. Es fiel ihr bei jedem Schritt, den er tat, leichter. Denn sie bemerkte das Blut auf seinem Schwert, die untypische Wut in seinen Bewegungen …
Und die zornige Kälte in seinen Augen.
»Bedeutet das, dass wir Gariath helfen müssen?« Dreadaeleon seufzte.
Sie ignorierte ihn und wandte sich stattdessen an den anderen Menschen.
»Lenk!«
»Kette«, keuchte er, als er an ihnen vorbeirannte. »Die Kette!«
Irgendwie war ihm vage bewusst, dass die Stimme, die diese Worte aus seinem Mund hervorstieß, nicht ganz die seine war. Ihm dämmerte, dass sie ihn wieder mit diesem prüfenden Blick betrachtete und er sie ignoriert hatte. Und er merkte, dass er müde und benommen war, von Tod umgeben, und sich jetzt achtlos in weiteres Unheil stürzte.
Ihm fiel jedoch nicht ein, dass er stehen bleiben könnte.
Etwas trieb ihn vorwärts wie ein Pferd, spornte ihn weiter an. Etwas zwang ihn, seine Füße zu bewegen und die Schritte zu ignorieren, die ihm folgten. Etwas veranlasste ihn, sein Schwert zu packen und die Mutterkette nicht aus den Augen zu lassen.
Etwas sprach zu ihm.
LOS!
Die Kette wurde mit jedem Schritt, den er näher kam, größer, ebenso wie die Gestalt des roten Hünen in seinem Augenwinkel. Gariath war vor der Kette stehen geblieben. Seine Muskeln zitterten vor Anspannung. Spielt keine Rolle, dachte Lenk. Du musst weitergehen, musst kämpfen, musst diesem Zwang in dir gehorchen.
Irgendwo in seinem Hirn wusste er, dass das falsch war. Er spürte die Furcht, die seinen Rücken hinaufkroch, das Entsetzen darüber, dass diese Stimme ein Teil der Leere sein könnte, in der sich sein Verstand langsam verirrte. Wahnsinn; was konnte es sonst sein? Was sonst konnte ihn zwingen, sich in einen vollkommen aussichtslosen Kampf zu stürzen? Was sonst konnte Vernunft und Logik mit seinen eigenen eisigen Gedanken überdecken?
Halt.
Er gehorchte, weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte.
Der Grund für den Befehl wurde jedoch sehr rasch offenkundig. Er schimmerte in dem spitzen Ende einer blutigen Axt, die von fleischigen tätowierten Pranken gehalten wurde. Der Klippenaffe war ein Hüne von Mann, offenbar vom selben Stamm wie der
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