Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
Schock schien die Organe in seinem Körper durcheinanderzuwirbeln. Galle stieg hinter seinen Zähnen auf; sie schmeckte metallisch wie Säure. Er murmelte verzweifelt etwas hinter dem Knebel aus lederbehandschuhten Fingern, woraufhin Denaos den Druck seiner Hand verstärkte und die Augen zusammenkniff.
»Runterschlucken!«
Rashodd gehorchte, protestierte erstickt und krümmte sich, als die widerliche Brühe seine Speiseröhre hinablief. Denaos nahm die Hand weg und betrachtete den Piraten aufmerksam. Er stellte keine Frage und stieß auch keine Drohung aus, sondern starrte ihn nur ausdruckslos an. In seinen Augen glomm keine Bosheit, keine Anschuldigung, ja nicht einmal Wut, wie Rashodd sie bei Argaol so genossen hatte.
Dieser vollkommene Mangel an Emotionen in dem Gesicht des Mannes veranlasste den Piratenkapitän, ihn anzuflehen.
»Zamanthras sei meine Zeugin«, wimmerte der Klippenaffe. »Glaubt mir, ich habe nichts mit der Kreatur zu tun. Warum hätte ich sonst diese Verräter so lange verteidigt?«
»Hier unten existiert Zamanthras nicht.« Denaos schüttelte den Kopf. »Heute Nacht existieren in dieser Kajüte nur Ihr«, er deutete mit dem abgetrennten Daumen des Piraten auf ihn, »ich«, er drückte die Spitze des Daumens gegen seine Brust, »und Silf.«
»S… Silf?«
»Erlösung durch Geheimnisse«, deklamierte der Assassine, »Vergebung durch Flüstern, Absolution durch Stille.« Er machte eine Pause. »Silf.«
»Der Schatten.« Rashodd stieß den Namen ohne Ehrfurcht oder Angst vor dem Gott hervor. Diese beiden Gefühlsregungen waren ausschließlich dem Mann vor ihm vorbehalten. Unauffällig schob er seine Hände unter die Achselhöhlen. Er erschauerte. »Eine Gottheit … Der Gott der Diebe … und …«, er musste innehalten, um zu schlucken, »der Mörder.«
»Mörder«, wiederholte Denaos tonlos. Einen winzigen
Augenblick erschien ein angedeutetes Lächeln auf seinem Gesicht. »Sind wir alle nicht genau das?«
»Es ist eine Sache, in einer Schlacht zu töten, Herr, aber eine ganz andere …«
»Das stimmt.« Der Assassine nickte gelassen und legte den Dolch zur Seite. »Vielleicht hat Silf genau auf diese Art und Weise seine Herde gefunden. Mörder bedürfen der Absolution, nicht wahr?« Er griff in sein Wams, und als er die Hand herauszog, hielt er ein anderes Messer darin. Seine Klinge war kürzer, dicker und hatte Sägezähne. »Oder wurde Silf geboren, um diesem Bedürfnis zu dienen?«
»Das kann nicht Euer Ernst sein!«, Rashodd starrte auf die Waffe. »Ich habe Euch alles gesagt!«
»Ihr könntet lügen.« Denaos schüttelte den Kopf. »Silf hat sieben Töchter. Das hier ist die zweite. Wenn Ihr nicht redet, werdet Ihr die anderen ebenfalls kennenlernen.«
»Sie … sie hatten nichts Gutes mit dem Priester vor, das wusste ich!« Rashodd sprach so schnell, dass er sich unter anderen Umständen für seine Beflissenheit geschämt hätte. »Sie haben von einer Mutter gesprochen, einer Königin, und haben den Namen einer Göttin genannt, von dem kein guter Zamanthraner jemals gehört hat!« Seine Lippen zitterten, »Ulbecetonth … Ich verabscheue es selbst jetzt noch, ihren Namen auszusprechen. Ulbecetonth beten sie an, und für sie haben sie das Buch gestohlen! Mehr weiß ich nicht, das schwöre ich!«
Denaos hielt inne, den Dolch in der Hand. Die Waffe schien fast enttäuscht zu sein, nicht zum Einsatz zu kommen, und ihr Sägezahn-Grinsen schien sich in ein gebogenes Runzeln zu verwandeln. Der große Assassine blickte stumm auf die Klinge und betrachtete sein Spiegelbild.
Rashodd genoss diesen kurzen Moment, in dem er Luft holen konnte, ohne blutigen Speichel oder Galle im Mund zu schmecken. Ihm war plötzlich kalt; er hatte das Gefühl, als würde sämtliche Wärme aus ihm heraussickern und die Innenseiten seiner Arme überziehen. Er brauchte etwas, ein
Hemd, eine Decke, irgendetwas, um den Verlust der Wärme zu dämmen, die aus ihm heraussickerte. Während sein Folterknecht mit seiner Waffe beschäftigt war, glitt Rashodds Blick langsam zu dem Schrank des Kapitäns in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes. Dort musste es etwas geben, sagte er sich, etwas, was ihn wärmen, was er um seine Hände wickeln konnte.
»Ihr sagt, das ist alles, was Ihr wisst.«
Der Tonfall des Assassinen hatte sich verändert, deutete an, dass er nachdenklich war. Es war nur ein kleines Signal, das wusste Rashodd, aber es genügte ihm. Er nickte heftig mit dem Kopf.
»Aber vor wenigen
Weitere Kostenlose Bücher