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Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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kann.«
    Ein Grinsen schlich auf sein Gesicht, als die Stadt als Gefängnis bezeichnet wurde. Denn wahrlich, genau das war sie, das wusste er ... nichts weiter als dicke Mauern, errichtet von Furcht, Türen, die aus Ignoranz bestanden und deren Schlüssel von bedingungslosem Glauben weggeworfen worden waren.
    Das Lächeln wurde jedoch plötzlich säuerlich, als er begriff,
dass sie ihn dorthin zurückschicken wollte, um grausamen Stein unter seinen Füßen zu spüren, die keine Schwimmhäute aufwiesen, und unter der Umarmung der Luft zu leiden. Er runzelte die Stirn und spürte, wie währenddessen seine Haare wuchsen, winzige schwarze Mahnungen, dass der Prophet befahl und Mund sich opferte.
    Und wofür?
    Als hätten seine Gedanken sie herbeigerufen, hörte er das Geräusch von schlagenden Flügeln. Er blickte hoch und sah, wie die Herolde aus dem nichtswürdigen Himmel herabsanken. Ihre reinen weißen Federn fächerten sich auf, als sie die Klippen erreichten, die über die Wasseroberfläche herausragten. Lautlos landeten die Kreaturen auf dem Korallenriff, umklammerten den Fels mit Krallen, die einst dünne Schwimmhäute, mit Händen, die vormals erbärmliche Möwenflügel gewesen waren.
    Er erinnerte sich an ihre frühere Existenz: kleine, gedrungene Kreaturen, Köpfe von alten Weibern mit aufgerissenen Augen auf Möwenkörpern, unfähig, auch nur den kleinsten eigenen Gedanken zu fassen. Die Gesichter, aus denen die Augen ihn jetzt anstarrten, waren zwar immer noch runzlig, saßen aber kopfüber auf ihren kranichartigen Hälsen, thronten über schlaffen, von Adern durchzogenen Brüsten. Ihre hervorstehenden blauen Augen betrachteten ihn jetzt mit einer scharfen Intelligenz, die zuvor nicht da gewesen war. Und die Zähne in ihren Mündern, die sich dort befanden, wo eigentlich ihre Stirn hätte sein sollen, waren lange gelbe Stacheln, die klapperten, während die Herolde unaufhörlich schnatterten.
    Einst hatte er sie als Beweis für die Macht der Abgründigen Mutter gesehen, für ihre Fähigkeit, Veränderung zu bewirken, während andere Götter taub und machtlos waren. Nun jedoch betrachtete er sie mit einem neiderfüllten Blick, weil sie der Beweis waren, dass selbst die Geringsten Ihrer Glaubensgemeinschaft sich entwickelten, während er hier stand, unglücklich und ganz und gar menschlich.
    »Spüren wir Unsicherheit in dir?«, erkundigte sich der Prophet und häufte noch Vorwurf auf den Hohn.
    »Unsicherheit?«, wiederholten die Herolde in einer primitiven Parodie des Propheten. »Zweifel? Unfähigkeit? Schwäche?« Sie schwangen ihre umgekehrten Köpfe nachdenklich näher zu ihm. »Ungläubigkeit?«
    »Meine Einwände sind unwürdig«, antwortete Mund. »Was zählt, ist nur, dass Vater befreit wird.«
    »Lügen«, widersprachen die Herolde nachdrücklich.
    »Irrelevant«, erwiderte Mund. »Nur der Dienst ist von Bedeutung. Die Motive sind unerheblich.«
    »Ignoranz«, krähte der schrille Chor.
    »Welch große Sünde liegt denn im Verlangen? Welches Gewicht wird mir auf die Schultern gelegt, nur weil ich den Wunsch nach Vergeltung spüre? Die Feinde der Abgründigen Mutter sind meine Feinde. Ihr Ziel ist mein Ziel.«
    »Blasphemie!«, zischten die Stimmen unter ihm.
    In den Zwillingsstimmen des Propheten schwang ein jammernder, schriller Unterton mit, eine subtile Disharmonie, die seinen Körper schmerzhaft schüttelte und dazu führte, dass er zusammenzuckte. Wie es ihn danach verlangte, sein Gehör aufzugeben, zusammen mit den Überbleibseln seiner Erinnerung. Wie er sich danach sehnte, den kreischenden Sermon des Propheten mit derselben lustvollen Freude empfangen zu können wie die anderen.
    Doch die Abgründige Mutter verlangte ebenfalls Opfer.
    »Du leidest also unter Zweifeln«, murmelte der Prophet, dessen vier goldene Augen ihn forschend musterten.
    »Inakzeptabel«, schnatterten die Herolde. »Unentschuldbar. Undenkbar.«
    »Ich hatte nicht erwartet, aufgefordert zu werden, hierher zurückzukehren«, antwortete er und richtete seinen Blick auf die Mauern der Stadt. »Ich habe diesen Ort verlassen, all seinen oberflächlichen Hass, habe ihn an Land zurückgelassen, wohin er gehört.« Er zog seine Beine an die Brust. »Ich habe Linderung in der Tiefe gefunden.«
    Aber keine Erlösung, setzte er in Gedanken hinzu. Gewiss, man hatte ihm Gaben gewährt: die Umarmung des Wassers, Freiheit vor den gierigen flüssigen Händen, die versuchten, ihm die Luft zu rauben und sie zu verdrängen, und die

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