Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
Vom Netzwerk:
Loyalität Ihrer Kinder. Doch die wahre Gnade der Abgründigen Mutter war ihm vorenthalten worden; für den Moment, hieß es.
    Und doch, so klagte er, dauerte dieser Moment seit Jahren an, was ihm nur noch deutlicher das Fortschreiten der Zeit ins Bewusstsein rief.
    Er blickte ins Wasser hinab, am Schatten des Propheten vorbei, und sah die bleichen Gestalten der Gemeinde der Gläubigen, die aus der Tiefe emporstiegen. Die untergehende Sonne verharrte auf der Wasseroberfläche, zögerte argwöhnisch, die Kreaturen zu enthüllen, die darunter schwammen. Als dann doch das goldene Licht durch die Wogen brach, erwiderte ein ganzer Wald aus haarlosem Fleisch, der dicht unter den Wellen dümpelte, seinen Blick; Hunderte von schwarz schimmernden Augen blickten zu ihm hoch, unfähig, das Licht zu reflektieren.
    Sie schwammen mühelos, denn das Fehlen der Erinnerung verlieh ihren Körpern Auftrieb. Sie waren ahnungslos, wussten nicht, wie ihr Leben ausgesehen hatte, als ihre Füße noch keine Schwimmhäute gehabt hatten und es ertragen konnten, Land zu spüren. Sie waren blind dem Aufstieg und Fall der Sonne gegenüber. Sie waren taub für die Welt, außer für den jammernden Chorus der Zwillingsmünder des Propheten, den wiederum er nicht ertragen konnte, und gegenüber dem fernen Ruf der Abgründigen Mutter, den er noch nicht vernahm.
    Und, dachte er verärgert, sie haben nichts geopfert.
    Sie gaben sich ganz und gar hin, aßen von den Früchten der Geburt der Hirten und wurden so von ihren Erinnerungen befreit, von der Umklammerung durch gierige, verlogene Götter. Er hatte dem entsagt, auf Bitten des Propheten. Er war zum Mund geworden, ihm war ihre Heiterkeit, ihre Seligkeit verwehrt geblieben.
    Ihre Freiheit ...
    Doch er ... er hatte alles gegeben. Er hatte auf die Umarmung der Kinder der Abgründigen Mutter verzichtet, und wofür? Dafür, dass er immer noch mit seiner eigenen Ignoranz gequält werden konnte? Mit der Erinnerung an all die Jahre, die er an eine Göttin verschwendet hatte, welche seine Familie nicht verschonte? Gequält von den Visionen ihrer Gesichter, dem Gedenken an ihr Lachen?
    Und jetzt, jetzt verlangte man von ihm, auf das Land zurückzukehren, erneut den Makel des festen Bodens zu ertragen und sich an all das zu erinnern, was man hatte von ihm nehmen wollen, wie sie es versprochen hatten. Was er sah, als er über den Kanal auf die Hafenanlagen blickte, von denen er in jener Nacht gesprungen war, als er den drei Stimmen folgte, war eine Rückkehr zu sündigen Erinnerungen und in die Gesellschaft unwissender Luftatmer.
    Das war nicht die Erlösung, die man ihm in Aussicht gestellt hatte.
    »Und wofür?«, murrte er. »Das bringt uns dem Buch auch nicht näher.«
    »Ein Ozean ist gewaltig und unendlich«, erwiderte der Prophet kühl. »Allein seine bloße Größe verunmöglicht es, ihn mit den Augen eines Sterblichen ganz zu betrachten. Scheint ein Sturm aus dem Westen von einer Flut im Osten getrennt zu sein, treffen sie sich doch in der Mitte als ein tosender Mahlstrom.« Der Schatten des Fisches hielt nachdenklich inne. »Selbst dann kann man es nicht ermessen, es sei denn, man betrachtet es von unten.«
    Er sah etwas Weißes in der Dunkelheit blitzen, als sich zwei breite Münder zu strahlendem Lächeln öffneten.
    »Sie sieht, wo wir nicht sehen«, schnatterten die Herolde zustimmend. »Sie denkt auf Wegen, die wir nicht begreifen. Der Mahlstrom wirbelt und tost chaotisch, unerklärlich.«
    »Aber es wird dennoch empfunden«, fuhr der Prophet ruhig fort. »Mund sollte sich keine Gedanken über das Buch machen. Die Abgründige Mutter sorgt für seine Rückkehr.«
    Er hätte gern gefragt, wie. Wie konnte irgendeine Kreatur, selbst eine, die solche Versprechungen machte wie die Abgründige Mutter und eine solche Freiheit gewährte, irgendetwas jenseits der Grenzen ihres Gefängnisses beeinflussen? Wie konnte sie so großzügig die Erlösung versprechen, wo sie doch wusste, dass ihre Hand immer noch in Ketten lag?
    Er hätte fragen können, doch er erinnerte sich noch zu gut an die Weisheit der Hirten, die sie aus ihren klaffenden Schlünden jenen Unwürdigen verkündeten, die sie in ihren schleimtriefenden Krallen hielten.
    Erinnerung war eine Bürde. Wissen war Sünde.
    »Ein Schlüssel«, fuhr der Prophet fort, »ist schließlich nur ein Teil einer Tür. Sie muss sich in den Angeln öffnen, und Hände müssen den Knauf drehen.« Goldene Blicke schweiften zur fernen Stadt. »Sollten diese Hände

Weitere Kostenlose Bücher