Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
das andere sich in seiner Höhle drehte und die Bandage um Lenks Bein musterte. »Die Sonne fühlt sich mächtig fein auf deiner Haut an, stimmt’s? Gibt keine bessere Medizin nich.« Er atmete tief durch die Nase ein und drehte dann sein anderes Auge zur Sonne hoch. »Zu schade nur, dass sie niemals wirklich den Schmerz vertreibt.«
»Die Medizin aber schon.« Lenk rieb sein Bein, warf einen Seitenblick auf die rotierenden Augen des Owauku und schüttelte sich. »Machst... machst du das immer?«
»Aber ja doch, Vetter.« Sein Riesenkopf nickte. »Ich entbiete immer das herzlichste Willkommen zu jeder verdammten Tageszeit.« Er tippte sich erneut an den Hut. »König Togu freut sich immer über Besuch von Menschen auf Teji. Er freut sich immer, seine Medizin und seine Gastfreundschaft zu teilen.« Er fletschte die schuppigen Lippen zu einem breiten bananengelben Grinsen. »Und das alles nur zum Preis von lächelnden Gesichtern.«
»Das habe ich zwar nicht gemeint, aber ...« »Oh.« Die Augen der Kreatur schienen noch größer zu werden, schienen vor Verzweiflung aus ihren Höhlen rollen zu wollen. »Oh nein ... du bist nicht glücklich.« Seine Hände zitterten, als er sie vor den Mund schlug. »Oh, ihr süßen Geister, wusste ich’s doch, dass es passieren würde. War ich es?« Er deutete mit dem Daumen auf seine flache grüne Brust. »Was habe ich dir bloß angetan?«
»Nichts ... gar nichts, es ist nur ...«
»Du bist hungrig.« Ihm fiel fast der Kopf von den Schultern, so heftig nickte er. »Das ist es. Sonnenschein und fröhliche Gedanken allein können nicht heilen. Ich besorg dir ’nen feinen Gohmn, Vetter. Einen feinen, fetten Gohmn.«
Bevor jemand protestieren konnte, hatte sich Bagagame auf dem Absatz herumgedreht und trottete zu einem Becken in der Nähe, das von etlichen Kakerlaken mit regenbogenfarbenen Panzern umringt war. Ein anderer Owauku in einer ledernen Kapuze und mit einem krummen Stock in der Hand
blickte auf, als Bagagame ihm etwas in ihrer schrillen Sprache zurief. Ein Dutzend gefiederte Fühler zuckten, ein Dutzend Facettenaugen blickten von der Tränke hoch, und selbst aus dieser Entfernung spürte Kataria, wie ihr eigener Ekel hundertfach verstärkt reflektiert wurde.
»Gohmns«, murmelte sie verächtlich.
»Du magst sie nicht?« Lenk grinste anzüglich.
»Es gibt da eine Geschichte ...« Sie versuchte, sich nicht daran zu erinnern, aber ein plötzliches Jucken auf ihrem Gesicht verhinderte das. Ganz gleich, wie oft sie es sich auch wusch, sie bezweifelte, dass sie jemals wieder das Gefühl haben würde, ihr Gesicht wäre sauber. »Blöde Insekten.«
»Kommt es dir nicht auch etwas seltsam vor, dass du einen Groll gegen ein Insekt hegst?«, erkundigte er sich beiläufig.
»Ich habe das Recht dazu.« Sie knurrte böse. »Alles, was irgendetwas aus seinem Arsch spritzt, mag ich aus Prinzip nicht. Und alles, was irgendetwas aus seinem Arsch auf mein Gesicht spritzt, darf ich mit gutem Recht hassen.«
»Tatsächlich«, sinnierte er. »Ich hätte gedacht, du würdest sie bewundern.«
»Weswegen?«
»Na ja, du prahlst doch immer damit herum, dass die Shict alles verspeisen, was sie erlegt haben, stimmt’s? Ich dachte, du wüsstest die Kakerlaken allein schon ihrer Nützlichkeit wegen zu würdigen. Die Owauku benutzen alles von ihnen ... sie nutzen sie als Nahrung wegen ihrer Milch, ihrer ...«
»... Kleidung«, setzte sie hinzu und kratzte sich unter ihrem Lendenschurz. »Es ist eine Sache, wenn die Haut eines Rehs oder eines Bären diesen Zweck erfüllt. Aber wenn es von einer gigantischen Regenbogen-Kakerlake kommt...« Sie hob die Hand und kratzte eine juckende Stelle auf ihrem Bauch. »Sie schmecken nicht einmal gut. Ich brauche unbedingt ein Stück Rehfleisch, das in seinem eigenen Blut gekocht hat... vielleicht eine nette, borstige Schweineschwarte. Irgendetwas, was aus Fleisch besteht.«
»Insekten bestehen aus Fleisch.«
»Es kommt dir nicht auch ein bisschen merkwürdig vor, dass du ein Insekt so vehement verteidigst?«
»Ein bisschen schon.« Er lächelte strahlend, deshalb jedoch nicht weniger anzüglich. »Vielleicht bin ich den diversen Merkwürdigkeiten, die mich umgeben, nicht mehr ganz so abweisend gegenüber eingestellt.«
Sein Mund zuckte, als würde etwas Ungeheuerliches gegen seine Lippen drängen, versuchen eine Stelle zu finden, wo es ausbrechen konnte. Sie erinnerte sich daran, wie oft sie seinen Blick schon gesehen hatte, aber ohne diesen
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