Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
finster an, und das Grün ihrer Augen schimmerte fast boshaft. »Riffid ist eine Göttin, die den Shict hilft, die sich selbst helfen. An dem Tag, an dem Sie einen Finger hebt, um einem jammernden, weinenden kleinen Rundohr zu helfen, ist der Tag, an dem ich Ihr abschwöre.« Sie schnaubte verächtlich und widmete sich wieder ihren Pfeilen. »Außerdem sind das meine letzten drei Pfeile. Ich hebe sie mir für etwas Besonderes auf.«
»Welche Verwendung könntest du denn dafür wohl haben?«
»Der hier«, sie streichelte ihren ersten Pfeil, »ist für den Fall, dass ich einen Fisch sehe, den ich selbst gern essen würde. Und dieser hier...« Sie strich über den zweiten Pfeil. »Dieser wird mit mir begraben, wenn ich sterbe.«
Er blickte auf den dritten Pfeil, dessen Befiederung ein wenig zerzaust schien und dessen Spitze zerfurcht war. »Was ist mit dem da?«
Kataria betrachtete den Pfeil und richtete ihren Blick dann auf Lenk. Er konnte den Ausdruck ihrer Augen nicht ergründen, sah weder Hass noch Gereiztheit oder Verwirrung
wegen seiner Frage. Sie streifte ihn einfach nur mit einem flüchtigen, nachdenklichen Blick, während sie das gefiederte Ende immer wieder zwischen Daumen und Zeigefinger hindurchzog.
»Der ist für etwas ganz Besonderes«, antwortete sie schlicht und wandte sich ab.
Während des Schweigens, das ihren Worten folgte, kniff Lenk die Augen zusammen.
»Und was«, fragte er leise, »soll das heißen?«
Irgendetwas verbarg sich hinter ihrem Blick; das tat es immer. Und was immer es auch sein mochte, normalerweise kam es auf einer Welle von Sarkasmus und Speichel aus ihrem Mund, wenn er ihr solche Fragen stellte.
Normalerweise.
Jetzt jedoch wandte sie sich einfach von ihm ab, ohne seinen scharfen Blick zu beachten. Er hatte sie in letzter Zeit häufiger angesehen, hatte ihren schlanken Körper betrachtet, den silbernen Glanz des Mondlichts auf ihrer blassen Haut, wo das kurze Lederwams sie freiließ. Und jedes Mal, wenn er das tat, erwartete er, dass ihre Ohren zuckten, weil sie hörte, wie seine Augen sich in den Höhlen verdrehten. Es endete dann meistens damit, dass er seinen Blick abwenden musste, weil sie ihn neugierig anstarrte.
In diesem, wie ihr schien, so kurzen Jahr ihrer Bekanntschaft war ihr Verhältnis zum großen Teil durch gegenseitiges Anstarren und das darauf folgende verlegene Schweigen bestimmt worden. Das Schweigen, mit dem sie ihn jetzt jedoch bedachte, war alles andere als peinlich. Es lag eine Absicht dahinter, wirkte wie eine solide Mauer aus Schweigen, die sie sorgfältig errichtet hatte, und die er niemals niederreißen konnte.
Jedenfalls nicht nur mit seinen Augäpfeln.
»Hör zu...« Er seufzte. »Ich weiß nicht, was an mir dich zurzeit so wütend macht, aber wir werden es nicht überwinden, wenn wir ständig ...«
Ihr uninteressierter Blick allein machte bereits deutlich,
dass die Shict nicht zuhörte und dass sie ihre langen Ohren plötzlich und schnell wie Decken faltete, verstärkte diese Botschaft noch.
Lenk seufzte und rieb sich die Schläfen. Er spürte, wie seine Kopfhaut sich enger um seinen Schädel spannte, und er spürte, dass er Kopfschmerzen bekommen würde, genauso wie ihm klar war, dass Regen in der Luft lag. Diese Kopfschmerzen traten in letzter Zeit häufiger auf; sie folterten ihn vom Moment des Erwachens bis zu seinen vergeblichen Versuchen, Schlaf zu finden.
Es war nicht sonderlich überraschend, dass seine Gefährten wenig taten, um diese Schmerzen zu lindern. Nein, dachte er, während er auf das verpackte Bündel blickte, das unter dem Rudersitz am Heck des Bootes lag, aber ich weiß, was helfen würde ...
»Sinnlos. «
Gänsehaut bildete sich auf seinem Arm.
»Die Fibel verdirbt die Menschen, aber das bedeutet nichts. Du kannst nicht verdorben werden .« Im Einklang mit der Stimme, die in seinem Kopf flüsterte, lief Lenk ein kalter Schauer über das Rückgrat. »Wir können nicht verdorben werden .«
Er holte tief Luft und atmete dann langsam aus, wobei er sich vorsichtig über die Seite des Kahns beugte, damit niemand sehen konnte, dass sein Atem selbst in der warmen Sommerluft sichtbar war. Vielleicht bildete er sich das aber auch nur ein.
Die Stimme war jedenfalls schwer zu ignorieren, und aus diesem Grund fiel es Lenk nicht leicht, sich davon zu überzeugen, dass da nur seine Fantasie sprach. Und dass ihm kalt war, obwohl all seine Gefährten heftig in der Hitze schwitzten, half ihm auch nicht sonderlich.
»Eine Frage.
Weitere Kostenlose Bücher