Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
zu ihm zuckte, hörte ihre Stimme hinter ihren Zähnen, bereit, etwas auszusprechen. Er konnte sogar das kurze Stück Erde zwischen ihr und sich spüren. Wenn ihre Hand zuckte, fühlte er, wie sich der Schmutz unter seiner Handfläche bewegte. Wenn er mit den Fingern trommelte, wusste er, dass sie die Resonanz in ihren Fingern ebenfalls spürte.
Er nahm sie wahr, als er sich aufrichtete, spürte ihr Lächeln
und merkte, dass sich sein Gesicht ebenfalls zu einem Lächeln verzog.
»Sie lächelt nicht .«
Er runzelte die Stirn, unterdrückte den Drang, zu der Stimme zu sprechen, wollte sie nicht zur Kenntnis nehmen. Aber er konnte den Gedanken, der ihm durch den Kopf schoss, trotzdem nicht unterdrücken.
Tut sie nicht?
»Sieh selbst. «
Aus dem Augenwinkel betrachtete er sie zum ersten Mal, seit sie die Hütte betreten hatten. Sie lächelte nicht, sah ihn nicht einmal an. Sie blickte zum Dach hinauf, während ihre steif aufgerichteten Ohren zuckten und auf dieselbe anmutige, argwöhnische Art lauschten, wie er es schon einmal gesehen hatte.
Nur hatte sie ihn da angesehen.
»Sie lauscht .«
Das ist logisch. Er registrierte plötzlich noch eine andere Stimme in dem Raum. Jemand anders redet.
»Sie lauscht nicht ihnen. «
Warum sollte sie ihnen nicht zuhören?
»Du tust es doch auch nicht.«
Stimmt.
»Beobachte sie genau. Sie sucht nach etwas, das du nicht hören kannst.«
Aber du kannst ...
»Es sind nur Fragmente von ... warte, sie wird es gleich wieder hören.«
Als hätte sie die Stimme gehört, versteifte sich Kataria plötzlich, und ihr Kopf ruckte herum. Sie bog den Hals, und jetzt blickte sie hinaus, durch die Steinwände hindurch, unter die Erde. Er folgte ihrem Blick, aber was auch immer sie sah, er konnte es jedenfalls nicht sehen.
»Sie sieht es auch nicht. Sie hört es. Es ist laut .«
Wie auf ein Stichwort zitterten ihre Ohren plötzlich so heftig, dass die Erschütterung über ihren Hals bis in ihre
Schultern sichtbar war. Er bemerkte, wie sie die Lippen fletschte, die Zähne zusammenbiss und zusammenzuckte, als versuchte sie mit ihren Kiefern das festzuhalten, was sie mit ihren Ohren gefunden hatte. Er spürte ihr Erschauern durch die schwachen Vibrationen des Bodens, in den sie sich krallte.
Er sah auch, wie sie sich anspannte, den Kopf senkte, die Ohren hängen ließ, sie in sich zusammenfaltete, als sie versuchte, sie unbedingt vor etwas zu verschließen, was sie eben noch hatte festhalten wollen.
Er lauschte angestrengt, hörte jedoch nichts als die eisige Stimme.
»Sie mochte den Lärm nicht. Schade.«
Du ... du hast es gehört?
»Ach ... reden wir wieder miteinander?«
Hast du es nun gehört oder nicht?
»Gehört, nicht direkt. Aber gespürt ... «
Was gespürt?
»Eine Absicht.«
Was für eine Absicht?
Er bekam keine Antwort.
Wessen Absicht?
Stille.
»Wessen?«
Erst nachdem der Schnee verweht war, nachdem das betäubende Schweigen in seinem Kopf von dem fernen Lärm im Dorf draußen vertrieben wurde, begriff Lenk, dass er laut gesprochen hatte.
Sie fuhr zu ihm herum und betrachtete ihn erschreckt, mit einem Blick, der eher zu einem verängstigten Tier als zu einer Shict gepasst hätte.
»Was?«, fragte sie.
»Was?«, erwiderte er verständnislos.
»Hast du etwas gesagt?«
»Wir haben nichts gesagt.«
»Wir?«
»Du hast doch auch nichts gesagt, oder?«
»Kein Wort.« Sie schüttelte den Kopf, etwas zu nachdrücklich, um zu verbergen, wie besorgt sie war.
»Bist du ...?« Er sah sie finster an. »Du hast eben ein bisschen zerstreut gewirkt.«
»Ich, nein.« Erneut schüttelte sie heftig den Kopf, als wäre sie nervös. Er fürchtete schon, dass er abfallen könnte, doch plötzlich hörte sie damit auf. Sie lächelte, und selbst ihre Augen schienen sich zu entspannen. »Was ist mit dir?«
»Was soll mit mir sein?«
»Geht es dir gut?«
»Ich bin ...«
»Gelassen.«
Was?
»Wann haben wir uns das letzte Mal so gefühlt? Keine Sorgen, keine Ängste, keine Pflichten ...?«
»Du bist was?«, setzte Kataria nach.
Er wollte gerade antworten, wurde jedoch plötzlich von einem lauten Summen abgelenkt, das ihm in den Ohren schmerzte. Ein blauer Fleck fegte an seinem Kopf vorbei, umkreiste ihn zweimal, bevor er endlich auf die Idee kam, danach zu schlagen. Und als er spürte, wie eine saphirblaue Libelle zum mindestens fünfundzwanzigsten Mal auf seinem Gesicht landete, war er zu resigniert, um etwas dagegen zu unternehmen.
»Genau genommen bin ich ein
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