Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
sich herum und erwiderte wütend ihren finsteren Blick. »Das habe ich auch, auf Ktamgi. Aber das Schiffszimmererhandwerk ist keine exakte Wissenschaft, weißt du. Solche Ungenauigkeiten passieren.«
»Lasst uns das in Ruhe besprechen, ja?« Asper hob beschwichtigend die Hände. »Sollten wir nicht lieber eine Möglichkeit suchen zu verhindern, dass das Meer uns tötet, bevor wir selbst dazu Gelegenheit haben?«
»Ich kann helfen!« Draedaeleon schien aufspringen zu wollen, hüstelte dann jedoch etwas gekünstelt und überlegte es sich anders. »Damit meine ich, ich kann das Leck stopfen. Gebt mir ... gebt mir nur etwas Zeit.«
Er blätterte hingebungsvoll in seinem Buch, überschlug die Seiten mit den uralten, unverständlichen Symbolen, bis er zu einer Reihe leerer Seiten kam, die die Farbe von Knochen hatten. Mit einem Zucken, das verriet, dass es ihm mehr Schmerzen bereitete als dem Buch, riss er eine Seite aus dem schweren Folianten. Dann schloss er ihn und befestigte ihn erneut an der Kette, die an seinem Gürtel hing. Anschließend kroch er zu dem Leck.
Alle beobachteten den Jüngling neugierig, als er sich über das Leck beugte, einen Finger in den Mund steckte und zubiss. Nach einem nicht gerade heroischen Schrei drückte er anschließend den blutenden Finger auf das Papier und zeichnete hastig ein kompliziertes rotes Symbol darauf.
»Aha, jetzt kannst du also plötzlich Magie wirken?« Lenk hob wütend die Hände.
Doch Draedaeleon hörte nicht auf das, was seine Gefährten möglicherweise zu sagen hatten, sondern legte mit gerunzelter Stirn das Blatt Papier auf das Leck im Schiffsrumpf. Dann murmelte er Worte, die in den Ohren schmerzten, und strich mit seinen unblutigen Fingern über die Seite. Das knochenfarbene Papier schimmerte zuerst mattblau und färbte sich schließlich dunkelbraun. Dann hörte man ein Schnappen
und Knarren, und als die Geräusche verstummten, befand sich über dem Loch ein Flicken aus frischem Holz.
»Wieso hast du das nicht schon vorher gemacht?«, erkundigte sich Kataria und kratzte sich am Kopf.
»Wahrscheinlich, weil das kein gewöhnliches Papier ist und ich nicht allzu viel davon habe«, erwiderte der Jüngling, während er mit der Hand über das Papier strich. »Und weil die Anstrengung für eine so banale Aufgabe zu groß ist, oder aber vielleicht auch aus Furcht, dass all die Jahre, die es mich kostete, diese ungeheure Kunst zu erlernen, letztlich darauf reduziert würde, Zimmererarbeiten für Schwachköpfe auszuführen.« Er blickte hoch und schnaubte verächtlich. »Such dir was aus.«
»Du hast das ... mit Papier gemacht?« Asper konnte ihre Verblüffung nicht verbergen. »Das ist unglaublich.«
»Naja, es ist kein Papier.« Draedaeleon blickte hoch und strahlte wie ein Welpe, der gerade aufs Gras pinkelt. »Es ist Merroscrit.«
»Wie bitte?« Denaos verzog das Gesicht.
»Merroscrit. Im Grunde ist es Magierpapier.«
»Wie das Papier, das Hexer benutzen?«
»Nein. Das heißt, ja, wir benutzen es auch. Aber es wird aus Magiern gemacht.« Sein Lächeln wurde strahlender, und er merkte nicht, wie Aspers Verblüffung langsam in Entsetzen umschlug. »Wenn ein Magus stirbt, wird sein Leichnam vom Venarium beansprucht. Sie schneiden ihn auf und verwenden ihn. Seine Haut wird sorgfältig getrocknet, Schicht um Schicht abgetrennt und anschließend als Merroscrit wieder zusammengenäht. Die seinem Leichnam noch innewohnende Venarie erlaubt es, Magie zu wirken, zumeist mutative Magie wie diese, die ich gerade angewendet habe. Allerdings erfordert es einen Katalysator, in diesem Fall«, er hob seinen Daumen, »Blut! Seht ihr, es ist eigentlich ... also ... es ist ...«
Asper sah ihn mit entsetzter Miene an. Ihre vor Schreck weit aufgerissenen Augen taten ein Übriges. Dreadaeleons Lächeln verschwand, und er senkte beschämt den Blick.
»Es ist ... Daran ist nichts Anrüchiges«, beendete er seinen Satz verlegen. »Wir bekommen sie normalerweise erst nach dem Zerfall.«
»Dem was?«
»Dem Zerfall. Eine magische Krankheit, welche die Barrieren zwischen der Venarie und dem Leichnam durchbricht. An ihr erkranken die meisten Magier, deren Körper daraufhin vor Magie nur so überquellen, sodass sie zu Merroscrit oder Geisterumhängen oder dergleichen verarbeitet werden. Wir verschwenden nichts.«
»Verstehe.« Asper zuckte zusammen, als wäre sie sich plötzlich ihrer Miene bewusst geworden. »Also ... wird allen Magiern posthum diese ... Ehre erwiesen? Oder gibt
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