Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
Frau?«, drängte Bralston. »War sie gesund? Hast du ihr etwas angetan?«
»Ah, darum geht es, richtig? Ich bin sicher, dass es sich um eine eindeutige Blasphemie handelt, wenn Euch nach einer Frau des Heilers gelüstet, Sir, aber dennoch muss ich mich fragen, gegen wessen Glauben oder Unglauben das stärker verstößt.« Als sich die Miene des Bibliothekars verfinsterte, lachte er. »Seid versichert, es ging ihr gut, ganz gleich, was passiert ist.«
Bralston hielt den eindeutigen Blick des Mannes einen Moment. Mehr brauchte er nicht, um einzuatmen, eine Hand zu heben, ein unverständliches Wort zu murmeln und dann die Hand rasch zu senken.
Rashodds Gesicht folgte dem Bogen der Hand, als ihn eine unsichtbare Macht nach unten zwang, bis sein Gesicht den Steinboden mit einem vernehmlichen Krachen küsste. Er blieb dort liegen, regungslos bis auf den schwachen Atem, der seinen massigen, ungewaschenen Leib durchströmte.
Er ist also nicht tot, dachte Bralston. Schade.
Aber das ging ihn nichts mehr an. Zurückhaltung, Weisheit,
Klugheit waren die Parolen des Venarium; Tollkühnheit, Hast und Wut das Anathema. Er hatte bereits genug Energie für den Klippenaffen verbraucht, genug Worte verschwendet. Er bedachte Rashodd mit einem höhnischen Blick; der Mann blutete nicht einmal, was darauf hingedeutet hätte, dass wenigstens seine Nase gebrochen war. Er würde leben, bis er demjenigen überantwortet wurde, der ihm den Kopf mit einer Axt abschlagen würde. Dieses Vergnügen oblag nicht ihm.
Geringere Männer hatten solche Vergnügungen. Bibliothekare hatten Pflichten.
Er hatte sich gerade von dem Klippenaffen abgewandt, als er dessen Kichern hörte. Er drehte sich herum, nicht sonderlich überrascht, dass sich der Mann wieder erhob. Darauf war Bralston vorbereitet, ebenso, ihn wieder zu Boden zu schleudern, falls es sich als nötig erweisen sollte. Und falls das nicht erforderlich war, war er darauf vorbereitet, Rashodd sich zurückziehen und in den Schatten verfaulen zu lassen.
Worauf Bralston jedoch nicht vorbereitet war, war der Anblick des Klippenaffen, als der in den gelben erbarmungslosen Lichtstrahl geriet.
»Ist Euer Ziel, mehr Leiden zuzufügen, Sir?« Zwei Hände spreizten die Stumpen von insgesamt drei Fingern, als die Arme den massigen, tätowierten Leib hochstemmten. »Ich beklage Eure Verspätung, mein Freund. Ich beklage sie tatsächlich.« Er richtete den Blick eines Auges auf Bralston, da das andere, eine farblose Masse, die von Narbengewebe überzogen war, ins Nichts starrte. »Wie Ihr seht, werter Sir ...«
Sein Grinsen wirkte noch perverser, weil man ihm das Fleisch von der linken Seite seiner Lippe geschnitten hatte. Unter einer grauen Masse von Schorf war sein vertrockneter Gaumen sichtbar. Sein graues Haar war auf der linken Seite noch verfilzter durch das getrocknete Blut an der Stelle, wo sein linkes Ohr einmal gewesen war. Sein Gesicht wirkte umso mehr wie eine Scheibe aus Fleisch und Sehnen, weil
sich dort, wo einst eine Nase gewesen sein musste, nur noch zwei klaffende Löcher befanden.
»... besitze ich nichts mehr, womit ich Schmerzen empfinden könnte.«
Bralstons gleichgültige Haltung wurde erschüttert; er bemerkte es weder noch kümmerte es ihn, dass man ihm seinen Schock deutlich ansehen konnte, dass ihm das Entsetzen aus den Augen sprach. Rashodds schwarzer Humor verflog, als wäre er sich plötzlich des ungeheuren Witzes bewusst geworden, fände ihn jedoch nicht mehr komisch. Er schlurfte zurück in die Dämmerung, aber Bralstons Mund blieb offen, seine Stimme blieb ein Flüstern.
»Du...«, sagte er leise. »Jemand hat dich ... mit einem Messer so verunstaltet?«
»Ihr habt so etwas schon gesehen«, antwortete Rashodd und deutete auf sein Gesicht. »Irgendwie habe ich das erwartet. Ihr seid ein... Djaalmann, richtig?«
»Das... ja...« Bralston kämpfte vergeblich um seine Fassung. »Während der Aufstände, die Schakale ... Sie haben die Leute ebenfalls so zugerichtet, haben alle, die sie erwischen konnten, mit dem Messer misshandelt. Sie waren...« Er riss die Augen auf. »Wann hast du einen Schakal getroffen? Sind sie etwa auch außerhalb von Cier’Djaal aktiv?«
»Ihr habt mir genug Fragen gestellt, Sir«, gab Rashodd zurück. »Ihr seid ein aufmerksamer Djaalmann, stimmt’s? Habt Euer Auge in Ehrerbietung für die Hundeherrin berührt. Eine höchst bewundernswerte Lady, das war sie ... hat die Schakale in Schach gehalten und das Vertrauen des gemeinen Mannes
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