Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

sogar die Art Frieden, die andauert? Den Frieden, indem du erfährst, wer in deinem Verstand spricht, und wer dich auf diese Straße geschickt hat, die mit dem Blut deiner Familie begann? Die Art Frieden, an dessen Ende alles gut ist?«
    Lenk schluckte schwer.
    »Werde ich ihn finden?«
    »Fragst du mich, ob alles besser wird oder ob die Dinge sich so entwickeln, wie du es dir erhoffst?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Auch gut. Die Zukunft ist zum größten Teil unsicher, bis auf dieses ...« Sie beugte sich langsam vor, riss Augen und Mund auf. »Nichts davon spielt eine Rolle.«
    »Mein Glück spielt keine Rolle?«
    »Du bist nicht ausgebrütet worden, um glücklich zu sein. Du wurdest gezüchtet, um deine Pflicht zu erfüllen.«
    »Ich wurde nicht... gezüchtet! Ich wurde geboren!« Lenk nickte steif, als wollte er sich selbst überzeugen. »Mein Name ist Lenk!«
    »Lenk wer?«
    »Lenk ... Lenk ...« Er zermarterte sich das Hirn. »Ich hatte einen Großvater.«
    »Wie lautet sein Name?«
    »Er war ... er war der Vater meiner Mutter! Wir sind alle am selben Ort geboren worden! Im selben Dorf!«
    »Wo?«
    »In ... in einem Dorf. Irgendwo. Ich kann mich nicht ...« Er schlug sich mit der geballten Hand gegen den Kopf. »Aber ich wusste es! Ich habe mich daran erinnert! Noch vor einem Moment! Wohin ...?« Er drehte sich fassungslos zu der Kreatur herum. »Wohin sind sie gegangen?«
    »Das spielt kaum eine Rolle. Sie werden nicht zurückkommen... jedenfalls nicht auf das Festland.«
    Schweigen machte sich zwischen ihnen breit, und keiner von ihnen schlug die Augen nieder oder blinzelte auch nur. Als Lenk sprach, zitterte seine Stimme.
    »Aber sie kommen hierher?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur angedeutet, dass du nichts zu gewinnen hast, wenn du auf das Festland zurückkehrst.«
    »Und was ist hier?«
    »Hier?« Die Kreatur grinste. »Tod, wie man sieht.«
    »Wessen Tod?«
    »Auf jeden Fall ein bedeutungsvoller Tod.« Die Kreatur richtete ihren Blick auf den fernen Rand des Waldes und das Dorf, das dahinter lag. »Ah ... die Sonne geht bald unter, und dann steigt dein wunderbares Abschiedsfest. Ich würde mich vor diesen grünen Kreaturen hüten, Lenk. Man weiß nie, was sich so alles hinter ihrer Miene verbirgt.«
    Die zähe Stimme der Kreatur schien über Lenks Körper zu fließen, eine Pfütze um seine Füße zu bilden und ihn auf der Stelle festzuhalten, während er dem Wesen verdattert
nachglotzte, als es davonschlurfte, mit einem Gang, der andeutete, es wäre weit massiger, als seine tatsächliche Körpergröße annehmen ließ. Vor Verblüffung fand der junge Mann erst die Sprache wieder, als die Kreatur bereits im Laubwerk verschwand, und ihre grüne Haut zwischen den grünen Blättern verschwamm.
    »Warte!«, rief Lenk ihr nach. »Sag mir ... irgendetwas! Egal was! Gib mir einen Grund weiterzumachen!« Als die Kreatur unbeirrt weitermarschierte, tat er den ersten, zögernden Schritt in ihre Richtung. »Sag es mir! Wird Kataria mich töten? Wer hat meine Familie getötet? Wer ist das da in meinem Kopf? Du hast es mir nicht gesagt!« Er knurrte, und seine Stimme klang wie ein Fluch. »Du hast mir überhaupt nichts erzählt!«
    »Ich weiß ...«
    Lenks Wunsch, der Kreatur weiter zu folgen, verpuffte, als sie den Kopf drehte und über die Schulter zurücksah. Sie hatte jetzt ein vollkommen anderes Gesicht. Ihre Kiefer waren ungeheuerlich gedehnt, unmöglich weit, so weit, dass Lenk fast hören konnte, wie die Gelenke unter dem Druck knirschten.
    Dazwischen knirschten Zähne, in denen sich sein eigenes entsetztes Gesicht spiegelte, das mit jedem Schritt, den er zurückwich, schrumpfte. Jeder Zahn war so lang wie drei bleiche Knöchel übereinander und glitzerte hell.
    »Bedrohlich, nicht?«
    Die Worte hallten durch seine Gedanken, so wie sich dieses schimmernde, zähnefletschende Grinsen in seine Augen brannte, mit denen er ausdruckslos in den Sonnenuntergang starrte, noch lange nachdem die Kreatur verschwunden war und in der Ferne Trommeln anfingen zu dröhnen.

Heiden verfügten ganz gewiss über bestimmte beneidenswerte Eigenschaften. Zu diesem Schluss kam Asper, nachdem sie eine Stunde lang im Moos gelegen, in die Sonne gestarrt und ihre Wärme genossen hatte.
    Die wichtigste Eigenschaft war das Selbstbewusstsein, das ihnen ermöglichte, unbeschwert stundenlang in winzigen Fellen unter der Sonne herumzuhüpfen. Diese Praxis würde sie allerdings zweifellos aufgeben müssen, wenn sie in die