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Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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nichts mehr gehört.
    Das war nicht gut. Das hatte sie in dem Moment bereits gewusst, so klar wie jetzt, aber sie konnte sich einfach nicht daran erinnern, warum sie sich in jenem Moment keine Sorgen gemacht hatte. Der Lärm war plötzlich so wenig störend, die Geräusche der Welt pressten sich auf einmal nicht mehr wie unfassbare Mauern aus Krach gegen sie. Keine Sorgen, keine Last, nur Leichtigkeit, nur sie und ...
    Und dann hatte er getan, was er getan hatte.
    Und sie hatte ihn gehört.
    Sie hörte Dinge in ihm, die Menschen nicht empfinden sollten, die Shict nicht hören sollten. Und sie hatte gefühlt ...
    Sie konnte einfach nicht anders fühlen.
    Das Heulen hatte sie durchströmt, ein Geräusch ohne Quelle, welches den Gesetzen des Lernens nicht gehorchte, das in ihrem Gehirn begann, sich den Weg nach außen bahnte und ihre Ohren zu zerfetzen drohte. Es dauerte nur einen Moment, genauso viel Zeit, wie ihr Körper brauchte, um zu begreifen, auf was sie da ihre Lippen presste. Mehr war nicht nötig gewesen. Es hatte sich aus ihrem Verstand befreit und laut in ihrem Schädel geklungen.
    Sie hatte ihn gehört. Sie hatte das Heulen gehört.
    Und dann hatte sie alles gehört.
    Ihr Instinkt hatte ihr befohlen wegzulaufen, und sie gehorchte. Sie flüchtete weit weg in den Wald, in die Nacht hinaus. Sie wusste, dass dies das Richtige war, denn es war die Stimme ihres Körpers. Was vorher geschehen war, was sie hatte erzittern lassen, als er seinen Arm um ihre Taille geschlungen und seinen Körper an ihren gepresst hatte, was sie dazu gebracht hatte, ihre Arme um ihn zu schlingen und ihn fester an sich zu ziehen, was sie hatte glauben machen, dass sie es genoss ...
    Nein, das war nicht die Stimme ihres Körpers. Das kam von irgendwo anders in ihr. Aber es war nicht ihr Körper.
    Ihr Körper hatte ihr gesagt, sie solle weglaufen; ihr Körper hatte sie angeschrien. Es war eine natürliche Abwehrhaltung, eine Abwehrreaktion auf die Seuche, auf die Infektion, die sie quälte und sie dazu brachte, diese Dinge zu tun. Der Lärm, der unerträgliche, quälend laute Lärm war nur ein Nebeneffekt der schleichenden Symptome.
    Das war logisch, sagte sie sich, als sie zum Bach ging. Es war ein Symptom; es musste einfach nur behandelt werden. Sie spritzte sich vorsichtig Wasser ins Gesicht, und ihre Ohren hallten vom Platschen des Wassers. Das würde vorbeigehen, sagte sie sich, das alles würde vorbeigehen. Sie war nur geprüft worden, hatte die Prüfung bestanden, die Seuche überlebt, denn genau das war er.
    »Er ist eine Seuche.« Sie versuchte, ihre Stimme zu hören. »Er ist eine Seuche, er ist eine Seuche ...«
    Das Wasser beruhigte sich wieder, und sie starrte auf ihr Spiegelbild. Das Gesicht, das zu ihr aufblickte, wirkte nicht überzeugt.
    Dann dämmerte ihr plötzlich etwas, gerade in dem Moment, als sich die ganze Insel gegen sie zu verschwören schien, als der Wald und alle Kreaturen verstummten, sodass sie es aussprechen und hören konnte, was laut in ihren Ohren und mit einem schmerzhaften Echo durch ihr Herz hallte.
    »Er ist mir nicht gefolgt.«
    Überrascht bemerkte sie, dass das Gesicht im Wasser die Stirn runzelte. Ebenso überraschte sie, dass sie sich nicht einmal die Mühe machte, sich selbst zu belügen und zu sagen, es läge daran, dass sie die Stille vermisste. Was sie überraschte, war jedoch, wie weh das tat.
    Was, fragte sie sich, als der Lärm erneut anhub, bleibt? Du kannst das nicht tun, erklärte sie stumm ihrem Spiegelbild. Du hast es versucht, ich weiß, dass du es versucht hast, aber du kannst einfach nicht das tun, was du tun musst, was Shict tun. Wenn du könntest, hättest du ihn schon getötet, als du ihn das erste Mal
gesehen hast, als du wusstest, dass du es müsstest, als du noch keine Wahl hattest. Aber du hast es nicht getan, also was bleibt? Sie beugte sich vor. Nein, der Fluss ist zu schwach, als dass du dich selbst ertränken könntest. Ich frage noch einmal, was anderes ist dir geblieben?
    Außer mit der Seuche zu leben?
    Schritte knirschten im Sand. Sohlen sanken tief ein, Schultern, die schwer waren von getrocknetem Blut. Keuchende Atemzüge, kurz und gereizt.
    Er.
    Sie kniete sich hin, richtete sich auf, starrte ins Wasser, sah, wie sie sich auf die Unterlippe biss, und zwang sich, aufzuhören. Würde , sagte sie sich; sie könnte ein bisschen davon gebrauchen, wenn sie jetzt sagte, was sie sagen musste, und was eine Shict niemals sagen würde. Die Welt verstummte erneut, als

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