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Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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Die Sirene sagte etwas, was er nicht zu hören wagte; eine Entschuldigung vielleicht, eine kurze Erklärung oder eine Beleidigung.
    Doch was auch immer sie gesagt hatte, konnte nur halb so beleidigend sein wie ihr Verhalten, als sie ihm einfach den Rücken zukehrte, als wäre er nur eine lästige Mücke, und davonging, zum Eingang des Tales.
    Er fauchte wütend und streckte die Hand aus, um ihren
blassen Knöchel zu packen und sie zurückzuziehen. Im selben Moment begriff er den Grund für ihre Missachtung. Kaum hatte er die Hand ausgestreckt, verkrampften sich seine Finger unwillkürlich. Der Schmerz, der ihn durchzuckte, war außergewöhnlich, nahm ihm den Atem, beraubte ihn jeder Willenskraft und schien ihm das Blut aus dem Kopf zu treiben, als hätte man ihn gespalten. Er stürzte zu Boden, zitternd und zusammengerollt, gelähmt von Qualen und unfähig, auch nur einen Satz zu formulieren.
    Während ihm langsam schwarz vor Augen wurde, sah er Grünhaar nach, die ins Tal hinabging, zu seinen Gefährten, und ihn einfach liegen ließ, hilflos und nutzlos.
     
    Die Schläge der Trommeln erstarben. Unsichtbare Wolken von Schnaps waberten über den aufgerissenen Mäulern der Schnarchenden. Gohmns zirpten leise in der Nacht.
    »So laut«, flüsterte sie und zerrte an ihren Ohren.
    Vergeblich. Die Bäume ächzten und warfen ihre Blätter ab. Die Flüsse verfluchten murmelnd diejenigen, die sich in ihnen entleerten. Gonwa bissen vor Wut die Zähne zusammen.
    »Halt’s Maul!«, wimmerte sie eindringlich. »Halt’s Maul, halt’s Maul, halt’s Maul!«
    Aber die Geräusche ließen sich nicht ausschließen, nicht ignorieren. Jedes Einzelne von ihnen hallte laut in ihren Ohren; die leisen unerträglich laut, die normalen Geräusche ohrenbetäubend. Sie konnte ihre Gedanken nicht hören, wusste nicht, ob sie atmete, und hörte auch nicht, wie sie unablässig ein Mantra murmelte.
    »Es geht vorbei.« Sie registrierte kaum, dass sie mit sich selbst sprach. »Es geht vorbei, es geht vorbei. Es ist nur ein Symptom, nur ein Symptom, nur ein Symptom.«
    Es war ein Symptom, überzeugte sie sich, ein Symptom der Rundohr-Krankheit. Es musste ein Symptom sein, beruhigte sie sich, weil es schließlich von ihm gekommen war.
    Sie verfluchte ihn, spie einen Fluss aus ätzendem Speichel in den Sand, während sie blindlings weiterstolperte. Sie
hörte ihre eigenen Flüche nicht, hoffte aber sehr, dass es gute waren.
    Es hatte schon den ganzen Nachmittag in ihrem Kopf gebrütet, war in Blitzen von Klarheit durch ihren Verstand geschossen. Ein widerwilliges Murmeln vom Boden des Tales, ein sehnsüchtiger Seufzer im Wind, Füße, die schwer durch den Sand stampften, genau vierhundertsechsundzwanzig Schritte von ihr entfernt. Die Geräusche, die normalerweise zu unbedeutend gewesen wären, als dass sie darauf geachtet hätte, erreichten ihre Ohren jetzt mit kristalliner Klarheit.
    Sie hatte sich keine Sorgen gemacht, als sie neben Asper gesessen hatte, das Zucken im Rücken der Priesterin gespürt und die Wut gefühlt hatte, mit der ihr Blut durch ihren Körper strömte, die Wut und die Furcht. Das war gut. Menschen sollten sich in Gegenwart von Shict fürchten. Und Shict sollten so etwas hören.
    Doch dann hatte Asper ihre Hand genommen. Kataria hatte gehört, wie sich die Muskeln in ihrem Körper entspannt hatten, gefühlt, wie die Furcht in Sorge umschlug, der Zorn sich in irgendeine fehlgeleitete Form der Zuneigung verwandelte. Das war nicht gut. So etwas sollten Menschen nicht fühlen. Und Shict sollten so etwas nicht hören. Sie war eine Shict. Sie hatte es gehört.
    Und das gab Grund zur Sorge, schrie nach Gewalt. Sie hatte nicht bedauert, was sie der Priesterin angetan hatte. Es war eine natürliche Reaktion. So behandelte man ein Symptom, bevor es sich zu einer Krankheit entwickeln konnte. Es war ein Heilmittel.
    Aber der Lärm hatte nicht aufgehört. Sie hatte versucht, ihn mit Schnaps zu betäuben, ihn mit Geplapper zu übertönen. Es hätte vielleicht funktioniert, sagte sie sich, wenn er nicht gewesen wäre.
    Er hatte alles ruiniert, weil er alles zum Schweigen gebracht hatte.
    Als sie neben ihm stand, waren die Geräusche leiser geworden und schließlich verstummt. Als sie in seine Augen
geblickt hatte, hatten ihre Ohren aufgehört zu pochen. Als sie seinen nach Schnaps stinkenden Atem inhaliert hatte, seinen verschwitzten Körper gerochen hatte, ihn mit dieser schiefen Verlegenheit hatte grinsen sehen, hatte sie plötzlich gar

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