Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
Langem als der letzte Zufluchtsort für Abschaum, Kriminelle und Mörder angesehen.«
Es war nicht das erste Mal, dass ihr Geschäft mit diesen drei Worten beschrieben wurde. Und falls Draedaeleon richtig schätzte, war es etwa das fünfundsechzigste Mal, dass speziell Denaos mit diesen drei Worten bezeichnet wurde. Der Assassine hatte nie anders als mit Lächeln und Spott auf diese Beschuldigung reagiert.
Dieses sechsundsechzigste Mal jedoch starrte er den Bibliothekar einfach nur an. »Ihr kommt aus Cier’Djaal?«
»Es erfüllt mich mit Stolz, das bestätigen zu können«, erwiderte Bralston.
»Nette Stadt«, sagte der Assassine.
»Das war sie einmal.«
Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, ein Zucken
auf ihren Gesichtern, perfekt synchronisiert. Draedaeleon beobachtete ihre Reaktion erstaunt, ebenso unsicher darüber, was gerade zwischen den beiden vorgefallen war, wie er auch nicht einordnen konnte, warum sich Denaos herumdrehte und in den Wald marschierte.
»Was war das gerade?«, fragte Draedaeleon den Bibliothekar.
»Mir hat das Gesicht dieses Mannes nicht gefallen«, antwortete Bralston, während er dem Assassinen nachsah.
»Ich glaube, das ist genau seine Absicht.«
»Ihr irrt.« Bralstons Stimme und auch sein Blick wirkten scharf. »Dieser Mann fühlt sich viel zu wohl in seinen Masken. Was wir sehen, ist das, was wir sehen sollen. Was er vor uns verbirgt, was wir nicht sehen sollen, lauert darunter. Ein Feigling... ein Raubtier.« Erneut blickte er zum Wald, und seine Stimme wurde verächtlich und rasiermesserscharf. »Ein Mörder.«
Draedaeleon vermutete, dass er seinen Gefährten verteidigen sollte. Aber er tat es nicht; vor allem deshalb, weil er häufig dasselbe über den Assassinen gedacht hatte. Außerdem kam jemand anders ihm zuvor, bevor er auch nur hätte den Mund öffnen können.
»Und was weißt du von Raubtieren?« Zum ersten Mal drehte sich Asper zu ihnen herum. Sie blickte nicht mehr ins Feuer, aber dennoch loderten ärgerliche Flammen in ihren Augen. »Und was weißt du über ihn?«
»Ich habe ...«, Bralston zögerte, offensichtlich überrumpelt von ihrem Ausbruch. »... Typen wie ihn schon gesehen.«
»Und natürlich gibt es keinen Mangel an Typen, derer man sich bedienen kann, um herauszufinden, wer wer ist, stimmt’s, Bibliothekar?«, fuhr sie fort und trat auf ihn zu.
Ihre Kühnheit erstaunte Draedaeleon. Selbst wenn der Bibliothekar kein Mann gewesen wäre, der seine Neigung und seine Fähigkeit unter Beweis gestellt hatte, Dinge und Lebewesen in Asche zu verwandeln, war er auch ein kräftig gebauter Mensch, beinahe genauso groß wie Gariath. Zudem
war er ein Bibliothekar, ein Agent des Venarium, beauftragt, alle Bedrohungen der Gesetze der Venarie zu vernichten, der zudem sehr viel Spielraum bezüglich dessen genoss, was er für bedrohlich erachtete.
»Asper«, sagte Dreadaeleon leise, »er wollte nicht...«
»Schon gut. Ihr großen Denker des Venarium habt einfach die Antworten auf alles. Ihr braucht einen Mann nur anzusehen, um entscheiden zu können, was er ist. Und ihr benutzt eure aufgeblähten Köpfe dafür, jede Person mit wenigen Worten zu charakterisieren.« Sie sah finster zu ihm hoch. »So wie zum Beispiel den Typ von Person, der mit der Art von Macht ausgestattet ist, die ihn sich berechtigt fühlen lässt, verächtlich auf andere herabzublicken und dabei gleichzeitig andere Leute in irgendeiner Schiffskabine leiden lässt, obwohl er einfach einen Finger hätte heben und damit helfen können. Aber das ist nicht feurig genug, habe ich recht?«
Er blinzelte, blickte von ihr zu einem ratlosen Draedaeleon und dann wieder zurück.
»Zugegeben«, sagte sie kalt. »Ich könnte diesen Mann auch mit einem einzigen Wort beschreiben.« Sie schob sich rüde an dem Bibliothekar vorbei. »Aber dafür bin ich viel zu höflich.« Sie marschierte leise murmelnd davon.
Bralstons Blick blieb mit demselben Interesse auf ihr haften, das er zuvor Danaos entgegengebracht hatte. Draedaeleon sah ihr ebenfalls nach, aber mit einer ganz anderen Intention und auch mit ganz anderen Gedanken.
Irgendetwas stimmt nicht, dachte er und tadelte sich im selben Moment dafür. Natürlich nicht, du Schwachkopf. Wie lange wurde sie gefangen gehalten? Und wie lange hast du nicht versucht, ihr zu helfen? Naja, du hast dich an den Plan gehalten. Denaos sollte ihr helfen...
Aber du bist der Magus. Du hast die Macht. Du hättest es sein sollen, der ihr hilft. Du hättest irgendetwas tun
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