Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
der Welt verschwunden war und ihre Tochter eine weiße Feder trug. »Ich hätte dich aus hundert Schritten Entfernung erschießen können.«
»Da habe ich ja Glück gehabt, dass du nur sechs Schritte entfernt warst«, erwiderte das Ding mit dem silbernen Haar. »Und zufälligerweise ist es auch das sechste Mal, dass du mir sagst, dass du mich hättest töten können.«
»Heute?«
»Seit dem Frühstück.«
»Das kommt ungefähr hin.«
»Und?«
»Und was?«
»Tu es endlich. Mach eine weitere Kerbe in deinen Gürtel... das heißt, bei dir sind es Federn im Haar, richtig?«
»Ich habe keine Todesfedern.«
»Wofür sind die denn dann?«
Ihre Tochter hatte die weiße Feder hinter ihr Ohr geschoben. »Für viele Sachen.«
»Okay.«
»Du bist nicht neugierig?«
»Eigentlich nicht.«
»Du fragst dich nie, warum wir tun, was wir tun?«
»Wenn die Legenden stimmen, dann besteht die Verbindung deines Volks zu meinem volk hauptsächlich aus Pfeilen, Schwertern oder Feuer. Das alles finde ich ziemlich geradeheraus.«
Ihre Tochter hatte die Stirn gerunzelt.
»Du dagegen... «, hatte er gesagt.
»Was ist mit mir? «
Dann hatte er sie angestarrt, während er sein Schwert in der Hand gewogen hatte.
»Du starrst mich an. Das ist merkwürdig. «
Er hatte ihrer Tochter nie befohlen, damit aufzuhören. Er hatte ihrer Tochter auch nicht befohlen zu verschwinden. Was Kataria auch nicht getan hatte.
Sie erstreckten sich bis in die Ferne auf dem Sand, eine Geschichte in jedem feuchten Abdruck. Sie kündeten von Leiden, von Schmerz, von Verwirrung und Furcht. Sie kniff die Augen zusammen, als sie sich hinkniete und mit den Fingern zwei Spuren abtastete. Die Stimmen dieser Fußabdrücke sprachen sehr deutlich zu ihr, sagten ihr, wohin sie gingen.
Sie kannte ihre Gefährten gut genug, um ihre Fußspuren zu erkennen.
»Es gibt noch mehr«, sagte Inqalle, die hinter ihr stand. »Du kennst sie.«
»Allerdings«, gab Kataria zu.
»Sie sind dein Heilmittel.«
Sie drehte sich herum und sah zuerst die Feder. Inqalle hielt sie in der Hand; sie war an einem glatten, geschnitzten Stock befestigt, den sie Kataria hinhielt.
»Du weißt, was das ist.«
»Ich erinnere mich«, erwiderte Kataria. »Ein Fürsprech.«
»Es spricht, ja. Es erklärt. Dieses hier sagt, dass du nicht trauern sollst, bis du eine Shict bist.« Sie betrachtete Kataria kühl. »Dieses hier wird dir sagen, wann du eine Shict bist.«
»Ich erinnere mich«, gab sie zurück. »Mein Vater hat mir davon erzählt.«
»Das ist ein Mittel gegen die Seuche. Es ist ein Mittel gegen deine Furcht. Dies hier wird dich wieder gesund machen.«
Sie reichte Kataria das Fürsprech. »Behalte es. Benutze es. Überlebe, bis du wieder eine Shict geworden bist.«
»Und wenn das passiert... wirst du es wissen?«
Inqalle tippte sich gegen die Stirn.
»Wir alle werden es wissen.«
Die Himmel bewegen sich in rätselhaften Kreisen.
In der menschlichen Sprache bedeutete das in etwa: »Es ist nicht meine Schuld.« Gariath hatte es oft genug gehört, um es sich einzuprägen. Die Menschen, die er kannte, waren immer dann am glücklichsten, wenn sie ihre Schuld auf jemand anderen abwälzen konnten.
Die ehemaligen Menschen, verbesserte er sich, der derzeitige Abschaum. Selige kleine Idioten, die keinen Sündenbock mehr haben.
Was nicht ganz zutraf, wie er wusste. Sollte ihr Himmel tatsächlich in rätselhaften Bahnen über ihnen kreisen, und sollten sie tatsächlich dort eingegangen sein, dann verfluchten sie ihn von dort aus in diesem Moment vermutlich bitterlich. Selbst wenn es ein wenig heuchlerisch wäre, fand er, zuerst ihre mysteriösen Götter zu lobpreisen und sich dann zu weigern, zu ihnen geschickt zu werden.
Oder war es das, was sie Ironie nannten?
Doch letztlich war das etwas, worum sich die Toten kümmern konnten. Gariath war traurigerweise immer noch am Leben und hatte nicht einmal eine angemessene Entschuldigung dafür.
Die Rhega kannten keine Götter, denen sie die Schuld zuschieben konnten. Ebenso wenig wie die Rhega Götter hatten, die sie zu sich riefen. Jedenfalls redete er sich das ein.
Zunächst war er noch in der Lage gewesen, seine Unfähigkeit zu sterben zu ignorieren. Er hatte sich auf Piraten gestürzt, auf Langgesichter, auf Dämonen und schließlich auf seine ehemaligen Menschen, und all das hatte ihm nur ein paar prachtvolle Narben eingetragen. Sie hätten ihn vielleicht verflucht, wenn er ihnen noch genug Blut gelassen hätte, an dem sie
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