Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
hätten ersticken können, aber sie konnten sich glücklich schätzen: Der Tod durch die Hand eines Rhega war so ziemlich der beste Tod, auf den sie hoffen konnten.
Als es jedoch selbst einer kolossalen Schlange nicht gelang, ihn zu töten, begann Gariath zu argwöhnen, dass mehr als nur Glück dahintersteckte. Selbst das Meer hatte ihn zurückgewiesen und ihn an den Strand gespuckt, schmerzhaft lebendig. Falls Götter existierten und ihre Kreise weit genug waren, dass sie ihn berührten, fanden sie offenbar einen grausamen Stolz darin, ihn am Leben zu halten.
Das ist Ironie.
Die ehemaligen Menschen hätten ihm gewiss zugestimmt, davon war er überzeugt. Und wenn er etwas von ihnen und ihren Ausflüchten gelernt hatte, dann, dass ihre Götter sich nur selten damit zufriedenzugeben schienen, einem Opfer ihrer Ironie zu erlauben, sich einfach nur in seinem Elend zu wälzen. Sie bevorzugten es, Erinnerungen zurückzulassen, sogenannte »Omen«, um ihre widerlichen Siege in Wunden zu reiben, die sich üblicherweise als nicht tödlich erwiesen.
Und als sein höchstpersönliches Omen aus den Wellen aufstieg und den finsteren Blick aus seinem goldenen Auge auf ihn richtete, wurde er zusehends gläubiger.
Wie ein schwarzer Wurm, der sich unter einer schillernden Haut wand, schwamm die Akaneed unter den von der Sonne beschienen Wogen hin und her. Sie tauchte immer wieder auf und starrte ihn wütend mit ihrem einen Auge an, zog die gelbe Scheibe zu einem goldenen Schlitz zusammen, der durch die Wellen zu brennen schien.
So wie sie den ganzen Morgen geglüht hat, nachdem das Meer mich ausgespien hat, dachte er. Oder den Nachmittag über, als
ich am Strand gehockt und beobachtet habe, wie sie mich beobachtet.
Er war sich nicht ganz sicher, warum sich keiner von ihnen bisher bewegt hatte. Was ihn anging, vermutete er, dass diese göttliche Entität, die ihm den Tod vorenthielt, beabsichtigte, ihn zur Kontemplation zu inspirieren, indem er das Meer beobachtete.
Menschen waren oft der Meinung, dass Herumsitzen und Starren eine in religiöser Hinsicht produktive Verwendung ihrer Zeit wäre. Und dabei sterben sie wie die Fliegen, dachte er. Vielleicht habe ich ja Glück und verhungere.
Dieser Plan war genauso gut wie jeder andere.
Über die Motive der Akaneed konnte er nur Vermutungen anstellen. Er ging davon aus, dass kolossale Seeschlangen sich nicht nur von wütenden Blicken und fauchendem Knurren aus der Tiefe ernähren konnten. Vielleicht war es also einfach eine Frage des stärkeren Willens: sein Wille zu sterben und der Wille der Schlange, ihn zu fressen.
Obwohl diese beiden Konzepte eher komplementär wirkten statt gegensätzlich...
Dieser Überlegung nach wäre es einfach, die fünfzehn Schritte in die Brandung zu gehen, so weit, bis das Meer ihm bis zum Hals reichte. Es wäre einfach, die Augen zu schließen, drei tiefe Atemzüge zu nehmen, während er fühlte, wie sich das Wasser unter ihm bewegte. Dann würde er spüren, wie sich die gigantischen Kiefer der Kreatur um ihn schlossen, und wahrnehmen, wie die nadelspitzen Zähne sich in seine Haut gruben. Er könnte zusehen, wie sein Blut in Wolken im Wasser aufblühte, während die Bestie seinen Leichnam unter die Wogen zog.
Das Auge der Akaneed tauchte erneut auf. Sie warf einen neugierigen Blick in seine Richtung, als hätte sie seinen Gedankengang wahrgenommen und würde ihm herzlichen Beifall spenden.
»Nein«, versicherte er der Bestie. »Wenn ich das tue, hast du eine leichte Mahlzeit, und ich habe einen leichten Tod.
Keiner von uns wird sich dabei anstrengen müssen, folglich wäre auch keiner von uns glücklich darüber.«
Die Kreatur warf Gariath einen weiteren Blick zu und signalisierte ihm ihre Zustimmung durch ein Zucken ihres blauen Augenlides. Dann, nach einem blitzenden Blick, verschwand sie unter den Wellen und schien damit andeuten zu wollen, dass sie warten konnte.
Gariath legte sich auf den Rücken und schloss die Augen. Das Knurren seines Magens wurde stärker, aber längst nicht schnell genug. Wenn er still sitzen blieb und sich nicht bewegte, würde es etwa drei Tage dauern, bis er an Durst starb und seine Überreste von der Flut hinausgetragen würden. Die Akaneed war bereit, sich ihre Mahlzeit zu verdienen, und er war bereit, sich mit diesem bitterem Trost zufriedenzugeben.
In diesem Fall, sagte er sich, kann ich es mir auch gemütlich machen.
Die Geräusche am Strand hielten eine angemessene Trauerrede: Nur das Murmeln der Wogen
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