Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
Schwerter.«
Kataria hatte auch diese Stimme schon einmal gehört: weiblich, aber barsch, belegt, rasselnd. Ihre Ohren zuckten und zitterten bei dem Geräusch, nahmen es in sich auf. Es war eine Stimme, die von einer blutigen Geschichte erzählte: von Toten, ermordeten Vorfahren, gerächten Familien. Sie hörte den Hass in dieser Stimme, fühlte ihn in ihrem Kopf.
Und sie wusste, dass die Sprecherin eine Shict war.
Ihr Shictisch war so deutlich, wie Shictisch nur sein konnte. »Menschen haben immer Schwerter«, sagte sie. »Sie haben immer vor zu töten.«
»Stattdessen hast du sie getötet?«
»Und die Erde mit ihrem Blut getränkt. Und ihr Volk durch ihre Kadaver gewarnt.«
Kataria blickte auf den rot gefärbten Boden. »So viel Blut...«
»Die ganze Insel ist von Blut durchsetzt. Das Blut hier wurde immerhin rechtmäßig vergossen.«
Kataria biss die Zähne zusammen und versuchte, ihr Herzklopfen zu ignorieren. »Hast du noch andere gefunden?«
»Das habe ich.«
Bei diesen Worten drehte Kataria sich herum und betrachtete ihre neue Gefährtin.
Sie war eine Shict, wie Kataria wusste, wie sie selbst eine war. Aber in ihrer Gegenwart, in ihrem Schatten, der sich unnatürlich lang erstreckte, spürte Kataria, wie ihre Ohren erschlafften und herunterhingen.
Die Ohren der anderen Shict waren stolz aufgerichtet,
sechs Furchen waren in jede Muschel geritzt; ihre Ohren waren so lang wie ihr halber Unterarm. Der Rest ihres Körpers passte dazu: Sie überragte Kataria mit ihren beinahe zwei Metern um etliches, hielt sich so gerade wie ein Speer, und ihr gestählter Körper war bis auf eine Hirschlederhose unbekleidet. Ihr schwarzes Haar hatte sie zu einer großen, steifen Haarbürste frisiert, und ihr ansonsten kahler Kopf war rechts und links davon mit schwarzen Symbolen geschmückt. Sie verschränkte ihre mächtigen Arme über den nackten kleinen Brüsten, die sich über ihre Muskeln wölbten, und betrachtete Kataria kühl.
Als Kataria sie anstarrte, konnte sie nur an eines denken.
So... grün.
Ihre Haut hatte die Farbe eines frischen Apfels... oder einer mehrere Wochen alten Leiche. Kataria wusste nicht genau, welches Bild angemessener war. Aber ihre Hautfarbe war ein Hinweis auf ihre Taten, ihre Herkunft, ihr Erbe.
Kataria kannte das alles. Sie hatte die Geschichten gehört.
Sie war eine Angehörige des zwölften Stammes, des einzigen Stammes, der sich gegen die Menschheit gewandt und sie zurückgeworfen hatte. Sie war eine Angehörige der s’na shict s’ha: Kopfjäger, Schlächter, stumme Geister, die jede Kreatur kannte, welche die Nacht fürchtete.
Eine Grünshict. Eine wahre Shict.
Kataria hatte Angst.
»Jedenfalls habe ich Spuren gefunden«, sagte sie und deutete mit einem Zeh auf die Erde. Kataria blickte nach unten und sah die langen Zehen mitsamt dem zusätzlichen »Daumen« an den Füßen der Grünshict. »Aus irgendeinem Grund gibt es noch andere Menschen hier.« Sie warf einen Blick über die Dünen. »Aber nicht mehr lange.«
»Warum sind sie hier?«
»Diese Insel stinkt nach Tod. Und Menschen werden von diesem Geruch angezogen.«
»Tod?«
»Dieses Land ist vergiftet. Es wachsen zwar Bäume, aber
in ihren Wurzeln steckt der Tod. Was hier lebt, ernährt sich von Tod, und wir ernähren uns von ihnen.«
»Ich habe die Kakerlaken gesehen...«
»Unwichtig. Wir sind wegen der Frösche hier. Sie fressen das Gift. Und das Gift nährt unser Blut. Wir ernähren uns von ihnen.«
»Wir?«
»Drei s’na shict s’ha sind auf diese Insel kommen.«
»Wo sind die anderen?«
»Sie suchen. Naxiaw sucht Menschen. Avaij sucht Frösche. Ich suche dich.«
Kataria spürte den Blick der Grünshict wie einen Dolch in ihrer Brust.
»Ich habe dein Heulen vor langer Zeit gehört und seitdem nach dir gesucht.« Die Grünshict durchbohrte sie mit einem Blick, der tief unter die Oberfläche drang, und ihre langen Ohren zuckten, als würde sie etwas hören, was kein Geräusch erzeugte. »Du bist mit seltsamen Lauten in deinem Herz gekommen, Kataria.«
Kataria erschrak nicht und zuckte kaum zusammen. Trotzdem verengte die Grünshict ihre Augen; sie konnte hinter ihr Gesicht sehen, sah, wie Katarias Nerven vibrierten, wie ihr Herz verdorrte.
»Wie ist dein Name?«, erkundigte sich Kataria.
»Du kennst ihn bereits.«
Kataria wusste zumindest, dass sie ihn kennen sollte. Sie spürte die Verbindung zwischen ihnen, als hätte etwas Körperloses von jeder von ihnen sich ausgestreckt, hätte sie leicht gestreift
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